Platzt die Immobilienblase endgültig – oder erholen sich die Immobilienpreise 2024 wieder?
01.03.2024 | J. Morelli – Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH
Die „Talsohle“ der Immobilienpreise für Eigentumswohnungen, Einfamilienhäuser und Doppelhaushälften sei bereits durchschritten, so Prof. Dr. Michael Voigtländer des Instituts der deutschen Wirtschaft (IW). Das wäre vor allem an den zuletzt wieder leicht ansteigenden Immobilienpreisen im Jahr 2024 abzulesen. Inwiefern dies aber ein definitives Indiz für eine Trendwende in der Immobilienbranche bedeutet und ob gar entgegen dieser Entwicklung ein weiterer Absturz der Immobilienpreise droht, lesen Sie in unserem Fachartikel.
Inhaltsverzeichnis
- EZB-Leitzins drückt weiterhin die Baukonjunktur und sorgt für eine Kehrtwende, weg vom Eigenheim und hin zur Miete
- Immobilienpreise Q4 2023
- Bezahlbarer Wohnungsbau soll die Immobilienpreise 2024 weiter stabilisieren
- Fazit: die Immobilienblase ist geschrumpft und scheint sich zu stabilisieren
EZB-Leitzins drück weiterhin die Baukonjunktur und sorgt für eine Kehrtwende, weg vom Eigenheim und hin zur Miete
Die Folgen der Corona-Pandemie und des Ukraine-Kriegs wirkten sich in den vergangenen Jahren negativ auf die Wirtschaft und im speziellen den Bausektor aus. Hielt sich letzterer zu Beginn des Jahres 2020 noch verhältnismäßig konstant und überdurchschnittlich gut, ist er seit Mitte 2022 in freiem Fall. Ausschlaggebend für diese Entwicklung waren vor allem zwei Faktoren: die Stufenweise Erhöhung des Leitzinses der Europäischen Zentralbank (EZB) auf mittlerweile 4,5 Prozent und der explosionsartige Anstieg von Baumaterial aufgrund der Lieferengpässe sowie Einfuhrrestriktionen aus Osteuropa.
Beides zusammen lassen eine Eigenheim-Finanzierung gegenüber einer Mietimmobilie wirtschaftlich unattraktiver erscheinen. War vor guten 4–5 Jahren das Motto noch „Wieso sollte ich nicht einen Immobilienkredit aufnehmen, dessen monatliche Raten ähnlich meiner Miete wären, wenn ich dadurch de facto mein Vermögen vermehren kann“. So ist bereits seit den Zäsuren der Pandemie und des Krieges von einer derartigen Goldgräberstimmung im Bausektor nichts mehr zu hören.
Ganz im Gegenteil, die Immobilienpreise schienen sich auch 2024 wieder in dieselbe Richtung zu bewegen, und das war nach unten. Kritiker sprachen schnell von einer geplatzten Immobilienblase, reflektierte Meinungsäußerungen von einer konjunkturellen Korrektur.
Notwendig, aber nicht für die Immobilienpreisentwicklung 2024 förderlich: das Gebäudeenergiegesetz
Zum Erreichen der Klimaschutzziele der Bundesregierung war eine weitere Regulierung des Bausektors notwendig. Als einer der CO2-Emmissionsstärksten Wirtschaftssparten sollten Neu- und Bestandsgebäude durch das Gebäudeenergiegesetz seit dem 1. November 2020 klimaneutraler werden. Nun wurde es 2023 zum zweiten Mal novelliert und stellt zusätzliche Anforderungen an das Energie- und Wärmemanagement von Neubauten und Bestandsgebäuden. Darüber hinaus brachte eine mögliche Sanierungspflicht im Bestand als Folge des GEG eine weitere Unsicherheit in einen bereits angeschlagenen Immobilienmarkt.
→ Dennoch zeigte sich, dass energieeffiziente Häuser krisensicherer und wertkonstanten sind. So gingen die Preise in der höchsten Effizienzklasse A%2B laut IW nur um 1,1 Prozent zurück (vgl. Neuer IW-Wohnindex: Mieten steigen stark, Kaufpreise erholen sich - (IW))
Immobilienpreise Q4 2023
Der IW-Wohnindex evaluierte den deutschen Wohnungsmarkt für das 4. Quartal 2023 wie folgt:
- Mietpreise
→ Steigerung von 1,6 % gegenüber Q3
→ 5,3 % höher als das Q4 2022
→ 8,7 % höher als Q1 2022
- Eigentumswohnungen
→ Steigerung von 0,8 % gegenüber Q3
→ Minderung von -2,7 % im Vergleich zu Q4 2022
→ Wertverlust von -8,2 % gegenüber Q1 2022
- Einfamilien- und Reihenhäuser
→ Steigerung von 0,6 % im Vergleich zu Q3
→ Rückgang von -2,4 % gegenüber Q4 2022
→ Wertverlust von -8,2 Prozent im Vergleich zu Q1 2022
Der IW-Wohnindex ermittelte demnach bereits für Ende 2023 einen verhältnismäßig geringen Anstieg der Immobilienpreise. Dieser Trend wird mit ziemlicher Sicherheit in den Immobilienpreisen in Q1 2024 ablesbar sein. Dies ist auch in einem Rückgang der Bauzinsen zu bemerken: lagen sie Anfang November laut Interhyp noch bei 4,23 %, liegen Sie Ende Januar 2024 nur noch bei 3,45 % (vgl. Gibt es auf dem Immobilienmarkt wieder Schnäppchen? | tagesschau.de).
Die Immobilienpreise, die durch das Statistische Bundesamt erhoben wurden (Pressemitteilung Nr. 498), zeichnen ein schwärzeres Bild. Laut deren Erhebung basierend auf dem Häuserpreisindex sind Wohnimmobilien im 3. Quartal 2023 knappe 10 % günstiger als im Vorjahresvergleich. Was laut dem Bundesamt den größten Immobilienpreisrückgang seit 2000 darstellt – selbst die geplatzte Weltfinanzkrise 2007–2008 hatte weniger drastische Auswirkungen auf die deutsche Bau- und Immobilien-Branche.
Quickfacts zu Immobilienpreisen 2023/2024
→ Aber vor allem Ein- und Zweifamilienhäuser seien laut der Pressemitteilung des Statistischen Bundesamtes günstiger geworden, Eigentumswohnungen vergleichsweise weniger.
→ Dafür erreichten die Immobilienwerte Mitte 2022 ihren Höchststand seit der Erhebung der Zeitreihe im Jahr 2000. Deshalb sprechen Experten in dem Kontext der verringerten Immobilienpreise der letzten Jahre von einer Marktkorrektur.
Alles in allem sind die Immobilienpreise auch zu Beginn des Jahres 2024 noch weit von dem Vorkrisenniveau entfernt. Unterschiedliche Institutionen, Vereine und Privatunternehmen arbeiten bereits seit Längerem fieberhaft an einer Lösung, bzw. an Katalysatoren, die dem Immobilienmarkt und der Baubranche wichtige Impulse geben könnten.
Bezahlbarer Wohnungsbau soll die Immobilienpreise 2024 weiter stabilisieren
Das IW hat zum Zwecke der weiteren Stabilisierung der Immobilienpreise 2024 einen Maßnahmenkatalog erarbeitet, der folgende Punkte umfasst (Datenbasis dieser Vorschläge ist eine Analyse der Neubaupreisentwicklung – zugrunde liegt der Datensatz der Value-AG-Immobiliendatenbank):
Wohnungsgröße |
Kleinere Wohnungen = geringere Preise je Wohneinheit; auch der gezielte Neubau von Wohngemeinschaften könnte forciert werden. → Flächenreduzierung ist der größte Hebel für niedrige Kauf- und Mietpreise. |
Wohnungsausstattung |
Die IW ermittelte für einfache gegenüber hochwertigen Ausstattung bei Mietwohnungen 7,5 % und bei Kaufimmobilien bis zu 15 % an möglichen Preisreduzierungen. |
Gebäudegröße |
Die Größe, bzw. vielmehr die Höhe eines Mehrfamilienwohnhause kann, je mehr Etagen bestehen, den Gesamtpreis und die einzelnen Wohnungspreise verringern. |
Stellplätze |
Keine Tiefgarage kann den Immobilienpreis zwischen 4–9 % reduzieren. |
Keller |
Kein Keller bedeutet eine durchschnittliche Preisverringerung von bis zu 2,5 %. |
Baulandpreise |
Reduzierung der Baulandpreise führt zu einer Verringerung der Immobilienpreise. |
Bauland |
Mit zusätzlichen Bauflächen können regionale Immobilienpreise im Durschnitt verringert werden. |
Grunderwerbsteuer |
Durch ein Aussetzen der Grunderwerbssteuer für Neubauten könnten bundeslandabhängig die Neubaukosten um bis zu 6,5 Prozent reduziert werden. |
Nachfrage |
Staatliche Maßnahmen, wie Sonder-Afa in Kombination mit steuerfreien Veräußerung nach 10 Jahren sollen zusätzliche Anreize für Kapitalanleger bieten. |
Sozialwohnungen |
Vom Bund subventionierter Sozialbau ist deutlich günstiger als private Neubauwohnungen – eine Mehrwertsteuerreduzierung könnte hier einen angleichenden Effekt haben. |
→ Die Reduzierung oder der gänzliche Verzicht von Stellplätzen sowie die Gebäudeaufstockung wurden in der Vergangenheit von den kommunalen Bauämtern meist nicht genehmigt. Befürchtet wurden eine Parkplatzknappheit sowie unzumutbare Lärmbedingungen für Anwohner, samt möglicher Modernisierungsmieterhöhung. Das Ganze unterstreicht die Wichtige der staatlichen Kooperation oder Subvention. Bei letzterer sind seit Januar 2024 wieder Fördermittel für BEG-Einzelmaßnahmen (BEG-EM) antragfähig.
Fazit: die Blase ist geschrumpft und scheint sich zu stabilisieren
Vor Beginn der Corona-Pandemie endete eine Phase des konjunkturellen Aufschwungs, die von geringer Inflation und extrem niedrigen Zinssätzen geprägt war. Für die Immobilienpreise bedeutete dies einen konstanten Anstieg, da Baukredite mit Festzinsbindungen von unter 1 % lockten. Gleichzeitig konnten Kapitalanleger Mietrenditen von über 4 % erwirtschaften.
Während der Pandemie standen die Zeichen auf Risikoaversion, Kostenreduzierung und planerischer Unsicherheit. Aufgrund von Zahlungsausfällen seitens Mietern oder Insolvenz von Bauunternehmen wurden Wertschöpfungsketten im Immobilienmarkt unterbrochen – jedoch hielten sich gleichzeitig die Immobilienpreise konstant, in bestimmten Regionen stiegen sie trotzdem weiter.
Ab Anfang Februar 2022 beschäftigte der russische Angriff auf die Ukraine und der seitdem anhaltende Krieg die soziale und wirtschaftliche Gemengelage in Europa. Aufgrund von Lieferengpässen wurden Baumaterialen quasi über Nacht deutlich teurer, da z. B. Holzimporte aus der Ukraine oder Russland zum Erliegen kamen. Hinzu kommt der sich in einer Krise befindende Energiesektor. Mit umfangreichen Maßnahmen wurde die Energiewende forciert, z. T. zur Last der Baubranche und des Immobilienmarktes.
Durch die folgend höchste Inflation seit 2008 sah sich die EZB gezwungen schrittweise den Leitzins zu erhöhen. Dies führte, wie bereits erwähnt, zu einem Interessenswechsel weg vom Eigenheim und hin zur Mietimmobilie.
Laut den letzten Zahlen des IW-Wohnindex scheint nun aber die Korrektur der Immobilienpreise erstmal abgeschlossen und ein Startpunkt für eine Trendwende gegeben. Aber bis die Preise das Vorkrisenniveau erreichen werden, rechnen Experten mit zwischen 4–6 Jahren.
Quellen: Neuer IW-Wohnindex: Mieten steigen stark, Kaufpreise erholen sich - Institut der deutschen Wirtschaft (IW) (iwkoeln.de), Optionen für bezahlbaren Neubau (iwkoeln.de), https://www.zdf.de/nachrichten/wirtschaft/immobilien-preise-zinsen-100.html, Gibt es auf dem Immobilienmarkt wieder Schnäppchen? | tagesschau.de