Circular economy, cradle to cradle (C2C) und Kreislaufwirtschaft – was ist der Unterschied?
Circular economy oder auch „zirkuläre Wertschöpfung“ verfolgt das Ziel, eingesetzte Rohstoffe innerhalb eines geschlossenen Kreislaufs an den Ursprung zurückzuführen und neu zu nutzen. Der Begriff circular economy erfasst dabei den gesamten Wertschöpfungsprozess vom Produkt-Design bis zum Recycling:
Im Gegensatz zur circular economy steht die „lineare Wirtschaft“ (Take, Make, Waste), die heutzutage praktiziert wird. Das heißt: Es werden Rohstoffe produziert sowie Energie und Arbeitskraft investiert, um ein Produkt zu erstellen. Das Produkt wird anschließend verwendet und nach dem Gebrauch einfach entsorgt, ohne die Roh- und Wertstoffe wiederzuverwerten.
Mit dem Begriff „circular“ wird herausgestellt, dass Roh- und Werkstoffe am Ende des Wertschöpfungsprozesses wieder zu Wert- bzw. Rohstoffen in den Kreislauf übergehen und nicht verloren gehen.
Mehr zu diesem Thema und wie Architekten und Ingenieure das Wertschöpfungsprinzip in ihre tägliche Arbeit integrieren und diesen Mehraufwand bei der Planung als Leistung korrekt abrechnen können, zeigt das Handbuch „Sichere Honorarvereinbarung und Abrechnung nach neuer HOAI 2021“.
Cradle to Cradle (C2C) – Prinzip und Zertifizierung
Das Prinzip Cradle to Cradle (wörtlich: „von Wiege zu Wiege“; sinngemäß: „vom Ursprung zum Ursprung“) verfolgt dieselbe Philosophie wie circular economy. Der Ansatz existiert bereits seit den 1990-er Jahren und kennt zwei Kreisläufe: Entweder das Cradle to Cradle-Produkt besteht aus biologischen Nährstoffen, die in einen biologischen Kreislauf zurückgeführt werden oder das Cradle to Cradle-Produkt wird aus technischen Wertstoffen herstellt und in einem technischen Kreislauf gehalten.
Das Non-Profit-Institut Cradle To Cradle Products Innovation Institute verleiht seit 2010 sog. C2C-Zertifizierungen und bewertet dafür folgende Kriterien:
- Materialgesundheit
- Kreislauffähigkeit
- Einsatz von erneuerbaren Energien
- verantwortungsvoller Umgang mit Wasser und
- soziale Gerechtigkeit
Kreislaufwirtschaft ist durch „Abfall“ und „Recycling“ geprägt
Der Begriff circular economy wird hierzulande oft als Kreislaufwirtschaft übersetzt, deren Prinzip auf dem Kreislaufwirtschafts- und Abfallgesetz aus dem Jahr 1996 beruht. Das greift jedoch zu kurz. Denn circular economy ist ganzheitlicher gedacht als nur im Zusammenhang mit Abfall und Recycling.
Circular economy bezieht sich nicht allein darauf, bei der Ausführung von Baumaßnahmen die Wiederverwertung bzw. die Verwendung von Recyclingbaustoffen zu erhöhen. Am zirkulären Wertschöpfungsprozess nimmt jeder teil, der an dieser Wertschöpfungskette beteiligt ist: Produzenten, Hersteller, Verkäufer, Bauherrn, Architekten und Ingenieure etc.
Circular Economy und HOAI: Können Architekten und Ingenieure diesen Mehraufwand abrechnen?
Architekten und Ingenieure stehen vor der Herausforderung, dass sie bereits bei der Planung eines Gebäudes die Aspekte der zirkulären Wertschöpfung berücksichtigen müssen. „Da die im frühen Planungsstadium [...] getroffenen Entscheidungen großen Einfluss auf die spätere Qualität des Gebäudes haben, kommt der Planungsqualität besondere Bedeutung zu“, heißt es im „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“ des Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit.
Die Qualität des Planungsprozesses wird im Leitfaden anhand von fünf Kriterien definiert:
Quelle: Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung (BBSR), „Leitfaden Nachhaltiges Bauen“
Die Wertschöpfungskette beginnt bereits bei der Planung des Gebäudes mit dem Ziel, Rohstoffe zu minimieren bzw. diese recyclebar zu machen. Auch bei der Herstellung von Produkten sind Abfälle zu verwerten bzw. Sekundärrohstoffe einzusetzen. Für die Planung der Nutzung bzw. des Verbrauchs müssen Architekten und Ingenieure die Langlebigkeit und die Sensibilität beachten. Um diese Wege berücksichtigen zu können, bedarf es jedoch einer stoffstromspezifischen Erfassung. Die stoffliche Verwertung ist dabei immer der energetischen Verwertung vorzuziehen. Die Planung sollte darauf ausgerichtet sein, eine Deponierung ganz zu vermeiden.
HOAI berücksichtigt circular economy nicht hinreichend
Übertragen Architekten und Ingenieure jedoch die im Leitfaden vorgesehenen Planungsschritte auf das Leistungs- und Vergütungssystem der HOAI, werden sie feststellen, dass die geforderten Aufgaben der Beachtung der Nachhaltigkeit in den Leistungsphasen nicht hinreichend berücksichtigt sind.
Denn der Architekt muss bei einer Neubauplanung aber auch einer Bestandsänderung eine Menge Kenntnisse mitbringen bzw. einholen: Wie wurden die Bauprodukte hergestellt? Wie wurden sie verarbeitet? Welche weitere ökologische Nutzung wäre noch sinnvoll? Diese umweltrelevanten und Nachhaltigkeitsthemen sind nicht Teil der Grundleistungen, die die Leistungsphase 1 „Grundlagenermittlung“ umfasst.
Auch in der „Ausführungsplanung“, die der Vorbereitung der Ausschreibung und Vergabe dient, muss ökonomisches und ökologisches Fachwissen vorhanden sein oder vom Bauherrn zusätzlich „eingekauft“ werden. Diese Fachkenntnisse sind auch dann gefordert, wenn es darum geht, die eingegangenen Angebote zu prüfen.
Neben den Leistungsphasen 1 und 2, die die Grundlagen für die nachhaltige Planung, Ausschreibung und Vergabe darstellen, ist auch die Bauüberwachung entscheidend, damit die nachhaltige Planung auch richtig umgesetzt wird.
Fazit zu circular economy und HOAI
Die HOAI stellt den Aspekt der Nachhaltigkeit nicht ausreichend dar. Damit die Leistungen des Architekten, der sich mit dem nachhaltigen Bauen auseinandersetzt, adäquat vergütet werden, muss er sich entsprechende Fachkenntnisse aneignen.
Um langfristig zu erreichen, dass circular economy am Bau, aber auch in anderen Wirtschaftszweigen und den Köpfen der Menschen auch stattfinden kann, müssen Industrie, Politik und Forschung erst passende Rahmenbedingungen erarbeiten.
Quellen: „Die neue Honorarordnung für Architekten- und Ingenieurleistungen 2013“, FH Bielefeld, Bundesministeriums für Umwelt, Naturschutz, Bau und Reaktorsicherheit