Welche Folgen hat die Erdbebenkarte für die Baubranche?
Das Erdbebenrisiko in Deutschland ist im Vergleich zum Mittelmeergebiet z. B. eher als gering einzuschätzen. Dennoch gibt es auch bei uns tektonische Spannungen im Untergrund, die zu Erdbeben führen können. Um noch verlässlicher aussagen zu können, wie hoch das Erdbebenrisiko tatsächlich ist und wie stark in verschiedenen Regionen Deutschlands die Erde beben kann, haben Geoforscher des Deutschen GeoForschungsZentrums (GFZ) das bestehende Kartenwerk überarbeitet.
Für die Baubranche ist die Neueinschätzung der Erdbebengefährdung von großer Bedeutung: Sowohl bei der Bauplanung als auch bei der Bauausführung müssen Architekten und Bauleiter bautechnische Besonderheiten beachten, wenn ein Gebäude oder andere Bauwerke in einem Gebiet mit starken seismografischen Aktivitäten errichtet werden sollen. Denn Veränderungen im Untergrund sind häufig Auslöser für Baumängel wie z. B. Setzungsrisse.
Neue Erdbebenkarte dient als Grundlage für Baunormen
Hinzu kommt, dass die neuen Erkenntnisse zur Erdbebengefährdung in Deutschland in nationale und europäische Baunormen einfließen werden. „Diese Neueinschätzung wird weitreichende wirtschaftliche Folgen haben“, sagt Fabrice Cotton vom GFZ. So werden die aktualisierten Karten zum Bestandteil des Nationalen Anhangs (NA) der neuen DIN-Norm DIN EN 1998-1/NA, die sich mit der Auslegung von Bauwerken gegen Erdbeben beschäftigt.
Die darin beschriebenen Lastannahmen bilden schließlich die Grundlage, die Planer berücksichtigen müssen, um Gebäude erdbebengerecht zu errichten. Um Planer weitreichend bei der Planung mit Expertenwissen und Arbeitshilfen zu unterstützen, wurde der Informationsdienst „Der Bauleiter“ entwickelt.
In welchen Gebieten Deutschlands herrscht besonderes Erdbebenrisiko?
Abgesehen vom Rheingebiet, das entlang einer alten Bruchzone der Erdkruste liegt, befindet sich ein weiterer Hotspot für seismische Aktivitäten südlich von Stuttgart in der Schwäbischen Alb. Eine andere Erdbebenzone liegt im Westen Sachsens und dem Osten Thüringens. Aber auch im Rest Deutschlands taucht laut den Forschern eine „diffuse Seismizität“ auf.
Die Karte des GFZ zeigt die Gebiete mit erhöhter Erdbebengefahr:
Abb.: G. Grünthal et al., GFZ
Mehr als 60 Prozent „Fake-Beben“
Die Geoforscher des GFZ haben Daten und Aufzeichnungen zu Erdbeben in Mitteleuropa der letzten rund 1000 Jahre ausgewertet und sind zu einem überraschenden Ergebnis gekommen: „Überraschenderweise haben wir viele ‘Fake Beben’ gefunden“, sagt Gottfried Grünthal vom GFZ. „Mehr als sechzig Prozent der im bisherigen deutschen Erdbebenkatalog aufgeführten Schadenbeben haben in manchen Gebieten nie stattgefunden. Spätere Chronisten oder Autoren verschiedener Erdbebenkataloge haben die Fehler einfach übernommen.“
Ereignisse wie Stürme, plötzliche Senkungen des Bodens und Berichte entfernter starker Erdbeben wurden, wie sich nun herausstellte, fälschlicherweise als lokale Erdbeben aufgezeichnet. Zu diesen natürlichen Ereignissen, die keine Erdbeben waren, reihen sich richtige Erdbeben ein, die jedoch keine natürlichen Ereignisse waren.
Denn auch menschliche Aktivitäten wie Bergbau, Fracking oder Geothermiebohrungen können Verursacher von Erdbeben sein. Das Auftreten dieser induzierten seismischen Ereignisse ist jedoch stark zeitabhängig, wie die Forscher erklären. Mit Beendigung der menschlichen Aktivität können diese „Erdbeben“ enden oder ihre Intensität wird durch technische Verbesserungen vermindert.
Quellen: GFZ, scinexx.de