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Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag: Voraussetzungen, Berechnung und Muster

© khwanchai phanthong/EyeEm – stock.adobe.com

Die Nachfrage ist groß, die Ressourcen knapp – durch die Corona-Pandemie steigen die Preise für Baustoffe auf dem Markt teils unaufhaltsam. Im Regelfall trägt das ausführende Bauunternehmen das Risiko steigender Material- oder Stoffpreise. Allerdings kann es sich zusätzliche Sicherheit verschaffen, indem es eine sog. „Stoffpreisgleitklausel“ im Bauvertrag vereinbart. Mit ihr ist der Auftragnehmer nicht gezwungen, bei steigenden Kosten weiterhin für einen Festpreis zu arbeiten, sondern kann den Vertrag entsprechend anpassen. Welche Voraussetzungen braucht es und wie wird die Klausel im Vertrag angewendet?

Inhaltsverzeichnis

  1. Definition: Was ist eine Stoffpreisgleitklausel?
  2. Voraussetzungen für die Verwendung der Klausel
  3. Berechnung und Anwendung
  4. Muster für Stoffpreisgleitklausel
  5. Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag nach VOB

Definition: Was ist eine Stoffpreisgleitklausel?

Eine Stoffpreisgleitklausel ist eine vertragliche Regelung, die v. a. Bauunternehmen im Hochbau oder Straßenbau nutzen. Die Klausel ermöglicht Anpassungen, da der Unternehmer als Auftragnehmer keinen Einfluss auf die Entwicklung von Einkaufpreisen für bestimmte Baustoffe hat oder es die Preise nicht im Vorfeld einschätzen kann. In der Praxis wird die Klausel bei Bauaufträgen genutzt, die sich über einen längeren Zeitraum erstrecken.

Zwar gilt grundsätzlich: So lange sich die Material- und Lohnkosten nicht extrem ungünstig entwickeln, gehören Preissteigerungen zum allgemeinen unternehmerischen Risiko des Bauunternehmens. Um dennoch nach Vertragsabschluss Änderungen am Bauvertrag durchsetzen zu können, kann der Auftragnehmer die Stoffpreisgleitklausel nutzen. 

Wozu dient die Stoffpreisgleitklausel?

Das Bauunternehmen muss alle Preise und Kosten berechnen, die für das geplante Bauvorhaben anfallen. Es ist somit alleine verantwortlich für die Annahmen und Berechnungen seiner Kalkulation. Der Preis, der sich daraus ergibt, gilt i. d. R. fix und ist später nicht mehr änderbar. Durch diesen Festpreis kann das Unternehmen nicht auf unerwartete Preissteigerungen reagieren – z. B. erhöhte Material-, Transport- oder Lohnkosten – und den Preis für seinen Auftraggeber anheben. So entstehen zusätzliche Aufwendungen für das Bauunternehmen.

Gleichzeitig hat es wenige Möglichkeiten, auf rechtlichem Weg einen abgeschlossenen Vertrag im Nachgang zu ändern. Zwar besagt § 313 BGB, dass Vertragsanpassungen möglich sind. Die gesetzliche Hürde hierfür ist allerdings wesentlich höher als mit einer vertraglichen Regelung, wie der Stoffpreisgleitklausel.

So darf der Auftragnehmer nach § 313 BGB z. B. den Preis im Vertrag nur anpassen, wenn

  • er alle Umstände des Einzelfalls berücksichtigt hat (insbesondere bzgl. der vertraglichen und gesetzlichen Risikoverteilung),
  • die Veränderung der Kosten gar nicht oder nur schwer vorhersehbar war und
  • es unzumutbar ist, an den bisherigen vertraglichen Vereinbarungen festzuhalten.

Diese Voraussetzungen liegen häufig nur bei längerfristigen Bauvorhaben vor. Kurzfristige Veränderungen bei Löhnen oder Materialpreisen reichen i. d. R. nicht aus, um eine Störung der Geschäftsgrundlage hervorzurufen.

Um diesem Problem vorzubeugen, kommt die Stoffpreisgleitklausel zum Einsatz. Damit sichert sich das Bauunternehmen rechtlich ab, falls es während der Ausführung zu Kostenänderungen kommt. Zudem lassen sich mit der Klausel aus rechtlicher Sicht leichter Anpassungen am Bauvertrag vornehmen.

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Falls es während eines Bauvorhabens zu stark steigenden Preisen von Stoffen, Material oder Löhnen kommt, die der Auftragnehmer nicht vorhersagen konnte, kann er unter gewissen Bedingungen den Bauvertrag anpassen. Hierfür beinhaltet das Baurecht besondere Regelungen wie die Lohn- oder Stoffpreisklausel. (Bild: © burdun – stock.adobe.com)

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Voraussetzungen für die Verwendung der Klausel

Für öffentliche Bauvorhaben sind zwingend Musterverträge und Regelungen anzuwenden. Für den Hochbau sind sie geregelt im Vergabe- und Vertragshandbuch (VHB-Bund), für den Straßenbau im „Handbuch für die Vergabe und Ausführung von Bauleistungen im Straßen- und Brückenbau (HVA B-StB)“.

In letzterem macht das Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI) noch einmal deutlich, dass die ausschreibenden Behörden und Ämter grundsätzlich dazu verpflichtet sind, Festpreisverträge abzuschließen. Die Stoffpreisgleitklausel bildet lediglich eine Ausnahme im Vertragsrecht.

Soll die Klausel dennoch im Bauvertrag genutzt werden, müssen folgende Voraussetzungen erfüllt sein:

  • Das zu erwartende Preisrisiko muss schwer kalkulierbar sein, da die verwendeten Baustoffe durch ihre Eigenart besonderen Preisveränderungen ausgesetzt sind. Hierbei muss die Vergabestelle begründen, wieso ein solch schwer kalkulierbares Preisrisiko für den Stoff vorliegt. Dadurch ist auch der Einheitspreis unmittelbar von dem Risiko betroffen.
  • Der Zeitraum zwischen der Angebotsabgabe und der Leistung bzw. des Fertigstellungszeitraums beträgt mindestens zehn Monate. Ist das Wagnis für Festpreise im Einzelfall besonders hoch, reichen auch sechs Monate aus. Allerdings muss es sich um einen begründeten Ausnahmefall handeln, der zuvor mit dem BMVI vereinbart wurde.
  • Der Anteil der Stoffkosten des betroffenen Materials an der gesamten Auftragssumme (vom Auftraggeber geschätzt) bzw. am Vergabeverfahren entspricht mindestens 1 % (Berechnung des Anteils siehe hier).

Erst, wenn alle drei Voraussetzungen erfüllt sind, ist eine Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag für den Straßenbau aus vergaberechtlicher Sicht zulässig. Darüber hinaus muss die Klausel der Formulierung entsprechen, die in den jeweiligen Vorschriften vorgegeben ist.

Auch wichtig zu wissen: Die Mehr- und Minderaufwendungen werden erst vergütet, wenn eine bestimmte Bagatellgrenze überschritten wird. Sie beträgt meist 2 % der Abrechnungssumme.

Des Weiteren kann die Klausel nur für bestimmte Baustoffe genutzt werden.

Für welche Stoffe gilt die Stoffpreisgleitklausel?

Aus baurechtlicher Sicht dürfen Unternehmen die Stoffpreisgleitklausel nur für ausgewählte Materialien und Baustoffe vereinbaren. Im Straßenbau gehören dazu folgende Stoffe:

Baustoff GP-Nummer
Betonstahl 24 10 31 500
Baustahl 24 10 62 100
Fahrzeugrückhaltesysteme (Stahl), Schutzplankenkonstruktionen 25 11 23 695 
Asphaltmischgut 23 99 13 200

Bei allen anderen Stoffen – etwa bei Holz, Betriebsstoffen oder Spundwandstahl – muss in jedem Fall vorab die zuständige Vergabestelle zustimmen. Andernfalls gilt die Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag als nichtig.

Um auch unabhängig von der Zustimmung auf Änderungen von Stoff- und Materialpreisen vorbereitet zu sein, sollten sich Bauunternehmen regelmäßig über aktuelle Entwicklungen im Bauwesen informieren. So können Sie im Ernstfall leichter entscheiden, wie es mit aktuellen und künftigen Bauvorhaben weitergehen soll.

Berechnung und Anwendung

AH-Produkt: https://www.akademie-herkert.de/themenuebersicht/bau-immobilien-kommunales/2655-rechtssicherer-umgang-mit-materialpreissteigerungen-am-bau

Für die praktische Anwendung der Stoffpreisgleitklausel muss das Unternehmen zunächst seinen Angebotspreis für den Auftraggeber berechnen. Dieser wird von einer Vielzahl unterschiedlicher Faktoren beeinflusst, insbesondere von folgenden Punkten:

  • Baustoffe und Materialien
  • Löhne der Beschäftigten
  • allgemeine Geschäftskosten
  • besondere Geschäftskosten der Baustelle
  • mögliche Zuschläge
  • Wagnis und Gewinn

Außerdem muss berechnet werden, wie groß das Verhältnis ist zwischen dem zu gleitenden Stoffanteil des Baustoffs und der geschätzten Auftragssumme des Auftraggebers. Es muss mindestens 1 % betragen.

Für diese Berechnung ist folgende Formel möglich:

(Summe der Stoffkosten / geschätzte Auftragssumme) x 100

Zur Veranschaulichung hier noch ein Rechenbeispiel:

Beispiel:

Geschätzte Auftragssumme für Vergabe 1: 3 Mio. Euro
Geschätzte Auftragssumme für Vergabe 2: 25 Mio. Euro

Summe der Stoffkosten: 200.000 Euro

Verhältnis für Vergabe 1: (200.000 Euro3 Mio. Euro) x 100 = 6,66 % → größer als 1 % → Gleitklausel ist möglich
Verhältnis für Vergabe 2: (200.000 Euro25 Mio. Euro) x 100 = 0,8 % → kleiner als 1 % → keine Gleitklausel möglich

Ist das Verhältnis größer als 1 %, können die Parteien entscheiden, ob sie eine Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag verankern. Allerdings gibt es auch hierbei gewisse Einschränkungen. So darf z. B. eine öffentliche Vergabestelle nicht frei entscheiden, ob sie die Klausel im Vertrag annimmt. Vielmehr gibt es je nach Land und Kommune klare Vorgaben, wann eine Stoffpreisgleitklausel im Rahmen des Vergabeverfahrens zulässig ist.

Auch die Formblätter und Vorlagen der ländereigenen Vorschriften enthalten weitere Berechnungen für die Stoffpreisgleitklausel.

Muster für Stoffpreisgleitklausel

Die genaue Formulierung der Stoffpreisgleitklausel ist, je nach Bauvorhaben und Bundesland, in verschiedenen Rechtsvorschriften definiert. Besonders wichtig sind folgende Regelwerke und ihre Verzeichnisse:

Diese Verzeichnisse zur Stoffpreisgleitklausel können als Vorlage bzw. Muster für den Bauvertrag dienen und sollten von jedem Auftraggeber genutzt werden – egal ob Bauherr oder Generalunternehmer. Weitere Vorlagen und Arbeitshilfen für die Ausschreibung, das Angebot und die Vergabe öffentlicher Aufträge bietet das Handbuch „Das neue Vergaberecht“. Es enthält neben hilfreichen Leitfäden eine Sammlung aller relevanten Gesetze und praktische Kommentierungen von Experten aus dem Vergaberecht.

Spezielle Hilfestellung bei Baumaßnahmen im Straßen- und Brückenbau gibt das „Planungshandbuch Straßen- und Wegebau“. In ihm sind alle aktuellen Normen, Richtlinien sowie Berechnungsbeispiele und Zeichnungen enthalten, die zur Planung, Bemessung und Sanierung von Straßen relevant sind.

Allerdings sind nicht nur die Regelungen der einzelnen Ländern für die Stoffpreisgleitklausel entscheidend. Auch die baurechtlichen Vorgaben der Vergabe- und Vertragsordnung für Bauleistungen (VOB) müssen bei der Planung berücksichtigt werden.

Stoffpreisgleitklausel im Bauvertrag nach VOB

Das Vergabe- und Vertragshandbuch für die Baumaßnahmen des Bundes (VHB) setzt die Regelungen der VOB Teile A (VOB/A) und B (VOB/B) in die Praxis um. Dabei betonte schon § 9 Abs. 9 VOB/A, dass Materialpreisgleitklauseln oder Stoffpreisgleitklauseln in Bauverträgen von öffentlichen Auftraggebern als Ausnahme zu werten sind. Sie seien auch deutlich seltener als Lohngleitklauseln im Bauwesen.

Aber auch heute noch ist die VOB wichtiger Bestandteil des Baurechts und der Vereinbarung von Bauverträgen. Wie Unternehmen und andere Verantwortliche rechtssicher Bauprojekte abwickeln und dabei alle Vorgaben nach VOB einhalten, zeigt das Handbuch „VOB und BGB am Bau“. Baurechtsexperten liefern verständliche Kommentierungen, praktische Musterklauseln und konkrete Tipps für die Praxis.

Produktempfehlung

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Quellen: „Das neue Vergaberecht“, „Planungshandbuch Straßen- und Wegebau“, bmvi.de, fib-bund.de

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