Was fällt alles unter den Begriff Nadelstichverletzung?
Unter „Nadelstichverletzung“ oder auch „Kanülenstichverletzung“ werden folgende Unfälle zusammengefasst:
- Schnitt-Kratz- oder Stichverletzungen der Haut durch scharfe Instrumente wie Nadeln, Messer etc., die mit Blut oder anderem Patientenmaterial verunreinigt sind. Ob die Wunde geblutet hat oder nicht, ist dabei nicht relevant.
- Bisse, Fingernagelkratzer und (Blut-)Spritzer
Nadelstichverletzungen werden oft bagatellisiert. Dabei zählen Verletzungen mit scharfen Gegenständen zu den häufigsten Arbeitsunfällen unter medizinischem Personal und können für die behandelnde Person gravierende gesundheitliche sowie berufliche Folgen haben.
Häufigkeit von Nadelstichverletzungen laut BGW
Die Berufsgenossenschaft für Gesundheitsdienst und Wohlfahrtspflege (BGW) stellt seit 2014 einen Online-Fragebogen zur Erfassung von Unfällen mit Fremdblutkontakt und hat 2017 Ergebnisse präsentiert. Insgesamt wurden in diesem Zeitraum 242 Fälle gemeldet. Die häufigsten Verletzungen kamen in den folgenden medizinischen Bereichen vor:
- Arztpraxis (80 Unfälle)
- Krankenhaus (63)
- Pflege (55)
- Zahnarztpraxis (24)
- Sonstige (20)
Verlässlichere Zahlen fehlen, denn in Deutschland werden Nadelstichverletzungen unterschiedlichen Berufsgenossenschaften gemeldet – je nachdem, wo die Einrichtung versichert ist.
Es muss zudem von einer Dunkelziffer ausgegangen werden, denn nicht alle Stiche werden auch gemeldet – sei es, weil der Betroffene selber das Risiko, mit Hepatitis infiziert zu werden, bagatellisiert oder, weil Beschäftigte die Diskussion mit dem Vorgesetzten meiden.
Vorgehen bei einer Nadelstichverletzung
Nadelstichverletzungen durch verschmutzte Nadeln lassen sich nicht so schnell aus dem Gesundheitswesen verbannen. Daher ist es entscheidend, dass das Personal von Pflegeeinrichtungen, Krankenhäusern und anderen Einrichtungen des Gesundheitswesens weiß, wie bei einem Stich vorzugehen ist. Dies gilt insbesondere für Behindertenwerkstätten, Wohngruppe o. Ä., die nicht sofort auf eine ärztliche Versorgung im Haus zurückgreifen können.
1. Erstversorgung am Unfallort
Stich- oder Schnittverletzung | Kontamination von geschädigter Haut, Auge oder Mundhöhle |
Blutfluss fördern durch leichten Druck auf das umliegende Gewebe (> 1 min) | Ausspucken, Spülen mit zuerst erreichbarer Flüssigkeit |
Gründliches Waschen der Wunde mit Seife | sofortige, mindestens 4-5-malige intensive Spülung mit nächstmöglich erreichbarem geeignetem Antiseptikum (Haut) bzw. Wasser (Auge, Mundhöhle) |
intensive antiseptische Spülung bzw. Anlegen eines antiseptischen Wirkstoffdepots (alkoholisches Desinfektionsmittel oder alkoholbasierte Kombination mit Povidon-Iod in einem Kompressenverband) |
2. Versorgung durch Unfallarzt
In Ablaufplan, Betriebsanweisung, Aushänge u. Ä. muss klar erkennbar sein, welcher Unfallarzt (Name, Adresse, Telefonnummer, ggf. Öffnungszeiten, Ausweichmöglichkeit) im Notfall (z. B. bei einer Nadelstichverletzung) aufzusuchen ist.
Vorgehen bei ärztlicher Erstversorgung
- Aufnahme des Unfalls als Bericht an die Berufsgenossenschaft (BG)
- Blutentnahme und anschließende Blutuntersuchung hinsichtlich Hepatitis B, C oder HIV
- Bei fehlendem Impfschutz gegen HBV evtl. Immunglobulinen geben
- Bei bekannter oder befürchteter Infektion mit HIV des Patienten, von dem die benutzte Nadel stammt, spezielle Medikamente als sog. Postexpositionsprophylaxe (PEP) verabreichen
- Festlegung des nächsten Kontrolltermins zur Blutuntersuchung
3. Interne Dokumentation
Innerbetriebliche Dokumentation der Nadelstichverletzung im Verbandbuch, damit schützende Maßnahmen abgeleitet werden können.
4. Rückkopplung mit Betriebsärzten
Kleine Einrichtungen genießen natürlich nicht den Luxus, täglich auf einen Betriebsarzt zurückgreifen zu können. Dennoch sollte mit diesem nach einer Nadelstichverletzung zumindest telefonisch Rücksprache gehalten werden, wenn Unklarheiten oder Regelungsbedarf bestehen.
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Nadelstichverletzung: Maßnahmen gegen Verletzungen mit verseuchten Nadeln
Zu den häufigsten Ursachen für Nadelstichverletzungen zählt das sog. Recapping, das Zurücksetzen der Schutzhülle auf die benutzte Nadel. Eine Schutzmaßnahme kann hier sein, die Kappe nicht mit der Hand festzuhalten, sondern auf dem Tisch gegen einen kleinen Widerstand zu drücken. Selbst wenn die Nadel abrutscht, trifft sie keinen Finger.
Weitere bewährte Maßnahmen, um das Eindringen von Infektionserregern in den Organismus möglichst zu vermeiden, sind:
- Tragen von Schutzhandschuhen, die das Blut beim Durchstechen abfangen, sodass es nicht in den Blutkreislauf der behandelnden Person gelangt.
- Abwurfbehältnisse stets verfügbar halten.
- Einsatz von sicheren Instrumenten für perkutane Eingriffe bei
- Behandlung und Versorgung von Patienten, die nachweislich durch pathogene Erreger infiziert sind,
- Behandlung fremdgefährdeter Patienten,
- Versorgung im Rettungsdienst,
- Versorgung in der Notfallaufnahme und in Krankenhäusern des Justizvollzugs.
Welche Eigenschaften solche Sicherheitsgeräte besitzen sollten, ist in den Technischen Regeln für Biologische Arbeitsstoffe, TRBA 250, geregelt. Gemäß TRBA sollten Krankenhäuser und Pflegeeinrichtungen alle technischen, organisatorischen und persönlichen Maßnahmen ausschöpfen, um das Risiko einer Nadelstichverletzung weiter zu minimieren. Dazu gehört, eine entsprechende Arbeitsorganisation zu erarbeiten und ein Sicherheitsbewusstsein bei den Mitarbeitern zu schaffen. Dabei helfen z. B. entsprechende Unterweisungen und Arbeitsanweisungen für die Belegschaft.
Quellen: „Pflege- und Expertenstandards auf CD-ROM“, BGW