Patienten warten zu lange auf Psychotherapie
Menschen, die eine psychotherapeutische Behandlung benötigen, warten momentan zu lange auf einen Therapieplatz. Laut einer Studie der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) müssen Versicherte von der ersten Anfrage bis zum Beginn der Therapie durchschnittlich 20 Wochen warten. Laut BPtK-Präsident Dietrich Munz ist das unzumutbar für Patienten, die dadurch eine zusätzlich Belastung erleben. Zudem könne sich die Erkrankung während der langen Wartezeit verschlimmern oder gar chronifizieren.
In diesem Zusammenhang steht insbesondere die veraltete Bedarfsplanung aus dem Jahr 1999 in der Kritik. Der BPtK zufolge fehlen bundesweit 7.000 Kassensitze für Psychotherapeuten. Eigentlich sollte der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) bis Anfang 2017 einen überarbeiteten Bedarfsplan vorlegen. Der G-BA selbst rechnet mit ersten Ergebnissen jedoch erst Mitte 2018. Ab 2019 soll der neue Bedarfsplan dann gelten.
Kostenerstattung ist im SGB V geregelt
Zu spät für Menschen, die jetzt einen Therapieplatz brauchen oder seit Längerem auf der Suche sind. Und weil immer mehr gesetzlich Versicherte keinen Termin bei einem Therapeuten mit Kassenzulassung bekommen, müssen sie auf private Psychotherapeuten zurückgreifen. Die Kosten dafür können sie sich von der zuständigen Krankenkasse erstatten lassen. So besagt es zumindest § 13 Absatz 3 SGB V. Dort heißt es wörtlich:
„Konnte die Krankenkasse eine unaufschiebbare Leistung nicht rechtzeitig erbringen oder hat sie eine Leistung zu Unrecht abgelehnt und sind dadurch Versicherten für die selbstbeschaffte Leistung Kosten entstanden, sind diese von der Krankenkasse in der entstandenen Höhe zu erstatten, soweit die Leistung notwendig war. Die Kosten für selbstbeschaffte Leistungen zur medizinischen Rehabilitation nach dem Neunten Buch werden nach § 18 des Neunten Buches erstattet.“
Seit Inkrafttreten der Psychotherapie-Richtlinie am 1. April 2017 lehnen die Krankenkassen die Kostenerstattung jedoch vermehrt ab, wie die Umfrageergebnisse der DPtV zeigen. Dies verschärft die Lage der Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten nochmals:
Sie sind nicht nur zu wenige, sondern müssen auch immer öfter einen Papierkrieg mit den Krankenkassen führen, wenn sie ihre Patienten beim Widerspruch gegen den Ablehnungsbescheid unterstützen. Und dieser Kampf ist nicht zu unterschätzen, sieht man sich die Ergebnisse der Umfrage der DPtV an.
Krankenkassen genehmigen weniger Anträge zur Psychotherapie über Kostenerstattung
Die DPtV-Umfrage, für die 422 in Privatpraxen niedergelassene Psychotherapeutinnen und Psychotherapeuten befragt wurden, kommt nicht nur zum Ergebnis, dass seit dem 1. April 2017 deutlich weniger Anträge zur Psychotherapie über Kostenerstattung genehmigt wurden als in den davor liegenden Zeiträumen, sondern arbeitet auch heraus, dass die Begründung der Krankenkassen in den Ablehnungsbescheiden nicht immer der Rechtslage entspricht:
- 63 % der Befragten gaben an, dass die Krankenkassen den Antrag auf Kostenerstattung abgelehnt haben, weil Therapien seit 2017 von den mit der neuen Psychotherapeuten-Richtlinie eingeführten Terminservicestellen vergeben werden. Das ist insofern falsch, als die Terminservicestellen rein für die Vermittlung der ersten Sprechstunde oder für eine dringende Akutbehandlung zuständig sind.
- 47 % berichten sogar, dass ihren Patienten mitgeteilt wurde, dass die Kostenerstattung mit der Einführung der Psychotherapeuten-Richtlinie komplett gestrichen wurde. Dabei hatte die Richtlinie keinerlei Auswirkungen auf die Regelung zur Kostenerstattung.
Die DPtV rät Betroffenen, juristisch gegen solche Ablehnungsbescheide vorzugehen. So einen Antrag durchzukämpfen und einen Widerspruch einzulegen, können aber nur die Patienten, die noch stabil genug dafür sind. Deshalb sind viele auf die Hilfe ihres Therapeuten angewiesen.
→ Beim Widerspruchsverfahren müssen insbesondere die Fristen penibel eingehalten werden.
Widerspruch gegen Ablehnung der Kostenerstattung
Kommt die Krankenkasse nach Einholung eines Gutachtens zum Schluss, dass die Voraussetzungen für eine psychotherapeutische Behandlung nicht vorliegen, bekommt der Versicherte einen Bescheid gegen den er oder sein gesetzlicher Vertreter Widerspruch einlegen kann. Auch der Therapeut wird über die Gründe der Ablehnung informiert.
Dieser Widerspruch kann ohne Angabe von Gründen erfolgen. Trotzdem ist es sinnvoll, wenn der Therapeut aus seiner fachlichen Sicht Stellung zur Ablehnung des Antrags auf Kostenerstattung nimmt und schriftlich darlegt, warum die Ablehnung nicht rechtens war. Denn die Krankenkasse wird in den meisten Fällen wieder auf das Gutachten zurückgreifen, das bereits zur Ablehnung geführt hat. Aber Achtung: Auch hier müssen Fristen eingehalten werden.
Nach eingelegtem Widerspruch hat die Krankenkasse drei Monate Zeit, darüber zu entscheiden. Lässt sie diese Frist unbeantwortet verstreichen, kann der Patient eine sogenannte Untätigkeitsklage vor dem Sozialgericht einreichen und die hat in den meisten Fällen Erfolg. (juse)
Quellen: DPtV, BPtK, NDR, „Arbeitshilfen zur neuen Psychotherapie-Richtlinie“