Inhaltsverzeichnis
- Was bedeutet Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?
- Wer hat Recht auf Ganztagsschule?
- Beschluss von Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss
- Änderungen zur Ganztagsbetreuung an Grundschulen
- Gesetz zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen
- Warum ist der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung trotzdem wichtig?
Was bedeutet Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung?
Mit dem geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung erhalten Eltern ein Recht auf Betreuung ihrer Grundschulkinder von acht Stunden pro Tag an fünf Tagen pro Woche. Das Bundesfamilienministerium (BMFSFJ) schätzt den tatsächlichen Bedarf an Ganztagsbetreuung in der Grundschule auf 75 bis 80 %. Bereits jedes zweite Kind nutzt ein solches Angebot.
Um die derzeitige Bedarfslücke nach solchen Angeboten zu schließen, haben sich Bund, Länder und Vermittlungsausschuss auf eine neue rechtliche Regelung geeinigt. Gleichzeitig müssen die kommunalen Schulträger Konzepte entwickeln, um ihr Angebot an Ganztagsbetreuung auszubauen. Wie Schulleiter und Träger ein entsprechendes Ganztagskonzept an ihrer Schule umsetzen, zeigt der neue „Praxisratgeber Ganztagsschule“. Er bietet hilfreiche Checklisten und Vorlagen zur Findung, Umsetzung sowie Weiterentwicklung von Ganztagsschulen. Damit setzen Schulleiter und Träger die neuen gesetzlichen Vorgaben zur Ganztagsbetreuung rechtssicher um.
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Wer hat Recht auf Ganztagsschule?
Ein Recht auf Ganztagsschule gibt es derzeit noch nicht. Zwar gibt es seit dem Jahr 2013 einen Rechtsanspruch auf einen Kita-Platz für unter Dreijährige. Allerdings fehlen solche Regelungen bislang für die Betreuung an Grundschulen, wohingegen der Übergang von Kindertagesbetreuung zur Grundschule für viele Familien eine besondere Herausforderung darstellt.
Mit dem Beschluss zum geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen sollen Kinder aller vier Klassenstufen bis zum Jahr 2029 das Recht auf eine ganztägige Betreuung erhalten. Der Anspruch soll sowohl in Horten als auch in offenen und gebundenen Ganztagsschulen gelten.
Beschluss von Bundestag, Bundesrat und Vermittlungsausschuss
Zuletzt ergaben sich rechtlich einige Neuerungen zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung in Grundschulen. Das sind die aktuellen Entwicklungen:
Zustimmung des Bundesrats am 17.12.2021
Der Gesetzentwurf der Länder vom 26.11.2021 wurde an die Bundesregierung weitergegeben. Nach einer entsprechenden Stellungnahme zum Entwurf und der Zustimmung des Bundestags gab auch der Bundesrat am 17.12.2021 seine Unterstützung bekannt. Damit werden das Ganztagsfinanzierungsgesetz sowie das Ganztagshilfegesetz geändert. Folglich erhalten die Länder mehr Zeit, um die Mittel zum Ausbau der Infrastruktur für die Ganztagsbetreuung abzurufen.
Gesetzentwurf vom 26.11.2021: Länder fordern mehr Zeit für finanzielle Mittel
Für die Umsetzung der geplanten Änderungen erhalten die Länder vom Bund 750 Millionen Euro als sog. „Beschleunigungsmittel“. Damit sollen sie die nötige Infrastruktur zur Ganztagsbetreeung auf- bzw. ausbauen. und bis zum 31.12.2021 die dazugehörigen Mittel nutzen.
Allerdings ist die Frist einigen Ländern zu knapp angesetzt. So warnt die Länderkammer vor folgenden Punkten:
- Neue Bauprojekte lassen sich durch die Corona-Pandemie oftmals nur stark verzögert durchführen.
→ Dadurch können die Länder die vorgesehen Mittel nicht bis Ende 2021 abrufen und an die Schulträger weitergeben. - Kommunale Schulträger müssten entstehende Kosten selbst tragen, falls Förderbescheide durch nicht fristgerechten Mittelabruf widerrufen werden müssen.
→ Die Schulträger sind mit den Kosten überfordert.
Um diese Probleme zu vermeiden und trotzdem den Ausbau der Ganztagsangebote voranzutreiben, wollen einige Länder die Frist zum Mittelabfluss bis Ende 2022 verlängern. Mit dem „Ganztagsfinanzierungsanpassungsgesetz“ (GaFAG) reichten insgesamt 13 Länder einen entsprechenden Gesetzentwurf ein. Nun stimmte der Bundesrat dem Entwurf am 26.11.2021 einstimmig zu.
Hintergrund: Beschluss des Bundes vom 10.09.2021
Die Förderung der Ganztagsbetreuung in Grundschulen war bereits ein wichtiger Punkt im Koalitionsvertrag der Legislaturperiode 2017/2021. Hierzu hatte der Bundesrat den Vermittlungsausschuss angerufen, da die Länder mit der geplanten Finanzierung der Betreuungsplätze nicht einverstanden waren.
Daher sollte der Vermittlungsausschuss einen Kompromiss finden, dem am 10.09.2021 auch der Bundestag und Bundesrat zugestimmt haben. Er beinhaltet breiter ausgedehnte Finanzhilfen und eine erhöhte Beteiligung des Bundes an den Investitionskosten der Länder.
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Bei den Regelungen zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ist der Bundesrat ein entscheidendes Organ. Zuletzt brachte er den Gesetzentwurf der Länder für eine Verlängerung der Mittelfrist in den Bundestag. Bild: © Melanie King-Braun – stock.adobe.com |
Änderungen zur Ganztagsbetreuung an Grundschulen
Mit dem Beschluss von Bundesrat und Bundestag sind umfangreiche Änderungen für Schulträger sowie Träger der Kinder- und Jugendhilfe geplant. Das sind die konkreten Neuerungen:
• Ab 2026: Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen
Ab dem 01.08.2026 soll es einen gesetzlichen Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung für Kinder im Grundschulalter geben. Grundlage hierfür ist das Ganztagsförderungsgesetz. Der Anspruch gilt zunächst für Grundschulkinder der 1. Klasse und wird in den Folgejahren um je eine Klassenstufe erweitert.
Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung | Jahrgangsstufe |
ab 01.08.2026 | 1. Klasse |
ab 01.08.2027 | 1. + 2. Klasse |
ab 01.08.2028 | 1. + 2. + 3. Klasse |
ab 01.08.2029 | 1. + 2. + 3. + 4. Klasse |
So sollen ab dem Jahr 2029 Grundschulkinder aller Klassenstufen einen Anspruch auf ganztägige Betreuung erhalten.
Der Rechtsanspruch umfasst eine Ganztagsbetreuung von acht Stunden pro Tag an fünf Tagen pro Woche. Die Dauer des Unterrichts in der Schule zählt bereits zur Betreuungszeit. Eltern können den Rechtsanspruch auch in den Ferien geltend machen, die Länder dürfen jedoch Schließzeiten bis maximal vier Wochen einführen.
• Mehr Geld für Betreuung und neue Plätze in Ganztagsschulen
Neben dem Rechtsanspruch investiert der Bund 3,5 Mrd. Euro in den Ausbau der Ganztagsbetreuung an Grundschulen der Länder. Mit dieser Investition will die Regierung folgende Aspekte unterstützen:
- stärkere individuelle Förderung von Kindern im Grundschulalter
- verbesserte Teilhabechancen benachteiligter Grundschulkinder
- bessere Vereinbarkeit von Beruf und Familie für die Eltern
Insgesamt sollen mehr als 800.000 zusätzliche Betreuungsplätze geschaffen werden. Die Finanzhilfe des Bundes ist jedoch nicht nur für das Errichten neuer Betreuungsplätze gedacht, sondern soll auch bereits bestehende Ganztagsangebote erhalten. In seinem ersten Entwurf wollte der Bund mit dem Geld lediglich neue Plätze schaffen.
Daneben beteiligt sich der Bund bis zu 70 % am Finanzierungsanteil der Investitionskosten – vor dem Kompromiss von Bund, Ländern und Vermittlungsausschuss waren nur 50 % angedacht. Außerdem beteiligt sich der Bund stärker an den zusätzlichen Kosten, die die Länder für den laufenden Betrieb der Ganztagsbetreuung zahlen müssen. Dafür ist eine stufenweise Beteiligung der Betriebskosten ab 2026 geplant – bis 2030 sollen es maximal 1,3 Mrd. Euro jährlich werden (ursprünglich nur ca. 1 Mrd. Euro pro Jahr).
Zusätzlich will die Regierung die Kosten in den Jahren 2027 und 2030 prüfen, um die Finanzierung der Ganztagsbetreuung an Grundschulen ggf. anzupassen.
Gesetz zum Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen
Als gesetzliche Grundlage gilt das sog. „Ganztagsförderungsgesetz“ (GaFöG). Es beschreibt die stufenweise Einführung des Anspruchs auf ganztägige Förderung für Grundschulkinder ab dem Jahr 2026. Hierfür wird das Achte Sozialgesetzbuch (SGB VIII) entsprechend angepasst.
→ Den Gesetzentwurf zum GAFöG hat der Bundestag auf seiner Website veröffentlicht. Dort ist u. a. die geplante Verteilung der Finanzierungshilfen auf die einzelnen Länder beschrieben.
Ländern und Kommunen kritisieren Gesetz
Zwar stellen die zusätzlichen finanziellen Mittel des Bundes für die Ganztagsbetreuung aus dem Gesetz einen Fortschritt dar. Allerdings bewerten viele Schulträger und Träger der Kinder- oder Jugendhilfe die Umsetzung des Vorhabens kritisch. Die Länder und Kommunen erhalten auf der einen Seite finanzielle Unterstützung durch den Bund – auf der anderen Seite haben viele von ihnen Angst, dass das Geld trotzdem nicht reichen und zusätzliche Kosten auf die Länder zukommen werden.
So würden die 1,3 Mrd. Euro ab dem Jahr 2030 nicht reichen, da sie noch auf alle 16 Länder und deren Kommunen zu verteilen sind. Zu dieser Einschätzung kommt Prof. Dr. Kerstin Schneider, Vorstandsvorsitzende des Wuppertaler Instituts für bildungsökonomische Forschung (WIB). Laut Berechnungen der Regierung müssten die Länder selbst mit der Finanzhilfe noch bis zu 2.750 Euro pro Betreuungsplatz zusätzlich zahlen.
Doch selbst diese Zahlen der Regierung sind mit Vorsicht zu genießen: Es handelt sich hierbei um Bundesdurchschnitte, allerdings werden weitere wichtige Kostenfaktoren wie
- Verwaltungskosten,
- Betriebskosten,
- Kosten zur Essensversorgung,
- Personalkosten zur Qualifikation der Betreuerinnen und Betreuer sowie
- Ausstattung der Ganztagsschulen und Horte
nicht berücksichtigt. Es bleibt deshalb abzuwarten, wie sich der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen tatsächlich umsetzen lassen wird.
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Großer Kritikpunkt am geplanten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen: Die Umsetzbarkeit und tatsächlichen Kosten, die auf die Schulträger sowie die Träger der Kinder- und Jugendhilfen zukommen. |
Warum ist der Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung trotzdem wichtig?
Mit einem gesetzlich verankerten Rechtsanspruch auf Ganztagsbetreuung an Grundschulen ergeben sich trotz der Sorgen der Länder und Kommunen viele Chancen für die Kinder und deren Eltern. Nennenswert sind insbesondere folgende Punkte:
Mehr Fördermaßnahmen für Kinder möglich
Die Kinder werden mit zusätzlichen Betreuungsangeboten in ihrer sozialen, emotionalen und körperlichen Entwicklung gefördert. Sie sind mit gleichaltrigen Kindern zusammen und unternehmen gemeinsame Aktivitäten. Gleichzeitig können sie in der Ganztagsschule ihre Hausaufgaben erledigen und erhalten Hilfe beim Lernen des Schulstoffs. Damit können die Schülerinnen und Schüler auch nach dem regulären Unterricht individuell gefördert werden, z. B. mit pädagogischen Spielen oder Übungen gegen Konzentrationsschwächen.
Bessere Unterstützung benachteiligter Kinder
Die zusätzlichen Fördermaßnahmen schaffen letztlich auch stärkere Teilhabechancen für Kinder aus sozial schwachen Familien, für Kinder mit Verhaltensauffälligkeiten oder solche mit Entwicklungsverzögerungen, z. B. selektivem Mutismus. Um diese Unterstützung anzubieten, müssen die Pädagoginnen und Pädagogen entsprechende Förderpläne und Konzepte entwickeln. Ideen und Inspiration hierfür liefert die Software „Besondere Kinder“. Mithilfe fertiger Textbausteine lassen sich Entwicklungsberichte sowie Förderpläne schnell und einfach erstellen. Damit können Betreuerinnen und Betreuer alle Fördermöglichkeiten für ihre Kinder nutzen.
Außerdem ist die Ganztagsbetreuung häufig wichtiger Bestandteil der Schulsozialarbeit. Sie unterstützt Grundschulkinder bei inneren sowie äußeren Konflikten und trägt damit entscheidend zur Entwicklung der Kinder bei. Wie Pädagoginnen und Pädagogen die besten Hilfsangebote erstellen und umsetzen, zeigt das Praxishandbuch „Schulsozialarbeit“. Es enthält praktische Tipps zur schulspezifischen Konzeption, Umsetzung und Weiterentwicklung von Schulsozialarbeit. Außerdem bietet es hilfreiche Checklisten, z. B. zur Kooperation zwischen Schule und Kinder- bzw. Jugendhilfe.
Wie Schulträger sowie Träger von Kinder- und Jugendhilfen ihr Angebot zur Ganztagsbetreuung ausweiten können, zeigen die Arbeitshilfen und Checklisten des neuen „Praxisratgeber Ganztagsschule“.
Quellen: bundesregierung.de, bundesrat.de, bmfsfj.de, bildungsklick.de