Neue DIN VDE 0100-712 – normative Anforderungen an Photovoltaik Stromversorgungssysteme

22.04.2025 | S.Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Normen und Begriffe Beim Anschluss von Photovoltaikanlagen müssen besondere Anforderungen für Niederspannungsanlagen beachtet werden, die in der DIN VDE 0100-712 festgelegt sind.

 

Inhaltsverzeichnis:

  1. Was ist in der DIN VDE 0100-712 geregelt? – Definition
  2. Schutzmaßnahmen nach DIN VDE 0100-712
  3. Generatoranschlusskästen (GAK): Funktion und Anforderungen
  4. DIN VDE 0100 Teil 712: Häufig gestellte Fragen (FAQ)
  5. DIN VDE 0100-712: Fazit und Handlungsempfehlungen

Was ist in der DIN VDE 0100-712 geregelt? – Definition

Die DIN VDE 0100 regelt die Errichtung von Niederspannungsanlagen. Teil 7-712 konzentriert sich dabei auf Photovoltaik-Stromversorgungssysteme (PV-Systeme) in Betriebsstätten, Räumen und Anlagen besonderer Art.

Geltungsbereich und strukturelle Einordnung

Die DIN VDE 0100-712 gilt für Photovoltaik-Anlagen vom Generator bis zum Netzanschlusspunkt und umfasst folgende Einspeiseszenarien:

  • Inselnetzbetrieb ohne Anbindung ans öffentliche Netz
  • Parallelbetrieb mit dem öffentlichen Netz
  • Kombinierte Systeme mit variabler Einspeisung

Die DIN VDE 0100-712 verweist auf ein Netzwerk korrelierender Normen, darunter Vorschriften zum Überspannungsschutz (DIN VDE 0100-443/534), zu Kabeln (DIN VDE 0298), Schutzarten (IP-/IK-Codes) und Blitzschutzsystemen. Die Aktualisierung von 2016 präzisierte insbesondere die zulässigen Schutzmaßnahmen auf der DC-Seite, die nun auf Doppelisolierung oder Schutz durch Kleinspannung (SELV/PELV) beschränkt sind.

Schutzmaßnahmen nach DIN VDE 0100-712

Die Norm definiert vier zentrale Schutzziele, die durch technische und konstruktive Maßnahmen umzusetzen sind:

  1. Schutz gegen elektrischen Schlag
    Hier spielt der Potentialausgleich eine Schlüsselrolle. Metallische Komponenten wie Modulrahmen, Montagegestelle und Wechselrichtergehäuse müssen mit der Hauptpotentialausgleichsschiene verbunden werden. Diese leitet Fehlerströme ab und gewährleistet Potentialgleichheit, um Berührungsspannungen zu vermeiden.
  2. Schutz gegen thermische Einflüsse und Brandgefahr
    Elektrische Betriebsmittel müssen so installiert werden, dass sie weder durch Überhitzung noch durch Lichtbogenbildung Brände verursachen. Dazu müssen Bemessungsströme und Leiterquerschnitte beachtet sowie feuerhemmende Materialien in kritischen Anlagenbereichen eingesetzt werden.
  3. Überspannungsschutz
    → Seit Dezember 2018 ist der Einbau von Überspannungsschutzeinrichtungen (SPD) verpflichtend, sofern die Anlage an Gebäuden mit sensibler Elektronik (Überspannungskategorie I/II) betrieben wird. Typ-2-Ableiter auf der DC-Seite und koordinierte Schutzgeräte auf der AC-Seite sind hier Standardlösungen.
  4. Schutz bei Überstrom
    Die DIN VDE 0100-712 schreibt vor, dass PV-Generatoren und angeschlossene Komponenten so dimensioniert sein müssen, dass sie maximale Kurzschlussströme sicher beherrschen. Dazu dienen gPV-Sicherungen mit spezieller Lichtbogenunterdrückung.

→ Elektrische Betriebsmittel können durch Gehäuse vor mechanische Einwirkung (Schlagschutz) geschützt werden. Dabei muss die angegebene IP-Schutzart des Gehäuses erhalten bleiben. Die IP-Schutzart bezeichnet den Schutz vor Berührung/Fremdkörper und Wasser und wird mit einem IP-Code gekennzeichnet. Der Schlagschutz wird durch einen IK-Code angegeben. Dem IK-Code wird eine Schlagenergie in Joule zugeordnet, die auch die Prüfenergie darstellt.

Herstellerangaben und Kennzeichnungspflichten

  • Betriebsmittel müssen für die maximale Systemspannung (bis 1.000 V DC) und wechselnde Umweltbedingungen (Temperatur, UV-Einwirkung) ausgelegt sein.
  • Alle Anschlussstellen mit Rückspannungsgefahr (zum Beispiel DC-Stecker) müssen eindeutig gekennzeichnet sein.

Wartungsfreundlichkeit

Die DIN VDE 0100-712 verlangt, dass Wartungsarbeiten ohne Spannungsabbau durchgeführt werden können. Dazu sind trennbare Steckverbindungen oder Lasttrennschalter vorzusehen.

Produktempfehlung

Bei der Installation sind die normativen Vorgaben zu beachten. Damit Sie als Elektrofachkraft rechtskonform handeln können, liefert das „Sicherheitshandbuch Elektrosicherheit“ präzise Handlungsempfehlungen, Umsetzungshilfen und einsatzfertige Nachweise.

Generatoranschlusskästen (GAK): Funktion und Anforderungen

Ein GAK ist wichtig, um die DC-Seite vor Überspannungen zu schützen und die Sicherheit bei Wartungsarbeiten zu gewährleisten. Moderne Kästen bieten:

  • integrierte Typ-2-Ableiter für DC-Überspannungen
  • Sicherungstrennschalter mit 20A-gPV-Sicherungen
  • Prüfmöglichkeiten für die Isolationsüberwachung
  • Robuste Gehäuse mit Schutzart IP65 und Temperaturbeständigkeit (-20°C bis +70°C)

Prüfung und Inbetriebnahme

Vor der Inbetriebnahme sind folgende Nachweise zu erbringen:

  1. Dokumentation der Schutzmaßnahmen (Potentialausgleich, SPDs)
  2. Isolationsmessungen auf der DC-Seite gemäß DIN VDE 0100-600
  3. Funktionsprüfung aller Trenneinrichtungen und Sicherungen
  4. Kennzeichnung aller aktiven Teile und Notfallschalter

Regelmäßige Wiederholungsprüfungen nach DGUV Vorschrift 3 sind obligatorisch, wobei der Fokus auf der Alterung von DC-Komponenten (Stecker, Kabel) liegt.

DIN VDE 0100 Teil 712: Häufig gestellte Fragen (FAQ)

Was ist in der DIN VDE 0100 geregelt?

Die DIN VDE 0100 ist eine zentrale deutsche Normenreihe, die das Errichten von Niederspannungsanlagen bestimmt. Sie gilt für elektrische Anlagen bis einschließlich 1.000 Volt Wechselspannung und 1.500 Volt Gleichspannung, die an Wohngebäuden, Gewerbe- und Industrieanlagen, landwirtschaftlichen Betrieben, Baustellen, medizinischen Einrichtungen und Photovoltaikanlagen verbaut werden.

Welche Normen gelten für PV-Anlagen?

Neben der DIN VDE 0100-712 gelten mehrere Normen, die verschiedene Aspekte der Planung, Errichtung und Sicherheit für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) abdecken. Die wichtigsten Normen sind:

  • DIN VDE 0100-443: Diese Norm behandelt den Überspannungsschutz für den Speisepunkt auf der AC-Seite.
  • DIN VDE 0100-534: Diese Norm beschreibt, welche Schutzgeräte wie zu installieren sind.
  • DIN EN 50521: Norm für Photovoltaik-Steckverbinder.
  • DIN EN 50618: Norm für Photovoltaik-DC-Kabel.
  • IEC 61215: Diese internationale Norm behandelt die Bauarteignung und Bauartzulassung von terrestrischen Photovoltaik-Modulen.
  • IEC 61730: Diese Norm beschreibt die Sicherheitsqualifikation von Photovoltaik-Modulen.

Ist ein Generatoranschlusskasten (GAK) für PV-Anlagen notwendig?

Ja, ein Generatoranschlusskasten (GAK) ist ein wichtiger Bestandteil von Photovoltaikanlagen. Er dient dazu, die Gleichstromseite der Solaranlage mit dem Wechselrichter zu verbinden.

Was sagt die DIN VDE 0100 aus?

Die DIN VDE 0100 ist eine umfassende Normenreihe, die sich mit dem Errichten von Niederspannungsanlagen befasst. Sie legt die Anforderungen für die Planung, Errichtung und Prüfung von elektrischen Anlagen bis einschließlich 1.000 V Wechselspannung und 1.500 V Gleichspannung fest.

Ist ein Überspannungsschutz für PV-Anlagen Pflicht?

Ja, ein Überspannungsschutz ist für Photovoltaikanlagen (PV-Anlagen) in Deutschland gesetzlich vorgeschrieben. Die Norm DIN VDE 0100-443 legt fest, dass Überspannungsschutzmaßnahmen auf der Wechselstromseite (AC-Seite) erforderlich sind. Zusätzlich verlangt die DIN VDE 0100-712 den Einbau von Überspannungsschutzgeräten auf der Gleichstromseite (DC-Seite) zum Schutz des Wechselrichters.

DIN VDE 0100-712: Fazit und Handlungsempfehlungen

Die DIN VDE 0100-712 stellt einen verbindlichen Rahmen für sichere PV-Installationen dar. Kritische Erfolgsfaktoren sind:

  • Konsequenter Potentialausgleich aller metallischen Komponenten
  • Zertifizierte Überspannungsschutzkomponenten sowohl auf DC- als auch AC-Seite
  • Normgerechte Auswahl von Betriebsmitteln mit ausgewiesenen IP-/IK-Werten
  • Lückenlose Dokumentation für spätere Wartungs- und Prüfarbeiten

Elektrofachkräfte sollten bei der Planung eng mit Herstellern und Netzbetreibern zusammenarbeiten, um technologische Neuerungen (z. B. Hybridwechselrichter) frühzeitig in die Anlagenkonzeption einzubeziehen. Nur so lässt sich die langfristige Compliance mit der Norm sicherstellen.

Quellen: www.vde-verlag.de; DGWZ; TÜV Nord;

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