Wann muss der Arbeitgeber keine Abfindung zahlen?
30.07.2025 | L. Gschnitzer – Online Redaktion, Forum Verlag Herkert GmbH

Entgegen der weitverbreiteten Annahme haben Arbeitnehmer bei einer Kündigung nicht automatisch Anspruch auf eine Abfindung. Ein gesetzlicher Anspruch besteht nur in bestimmten Ausnahmefällen. In diesem Artikel erfahren Sie, in welchen Situationen eine Abfindung fällig wird, wann Arbeitgeber keine Abfindung zahlen müssen und worauf Arbeitgeber bei Abfindungen achten sollten.
Inhaltsverzeichnis
- Gibt es einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei Kündigungen?
- Wann gibt es keine Abfindung bei einer Kündigung?
- Wann muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
- Was Arbeitgeber bei Abfindungen beachten sollten
Gibt es einen gesetzlichen Abfindungsanspruch bei Kündigungen?
Grundsätzlich gibt es im deutschen Arbeitsrecht keinen gesetzlichen Anspruch auf eine Abfindung bei einer Kündigung.
In der Praxis sind Abfindungen oft ein freiwilliges Angebot des Arbeitgebers oder das Ergebnis von Verhandlungen vor dem Arbeitsgericht.
Ein Anspruch auf eine Abfindung kann sich jedoch auch aus Tarifverträgen, individuellen Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen, Aufhebungsverträgen oder einem Sozialplan ergeben.
Wann gibt es keine Abfindung bei einer Kündigung?
Ordnungsgemäße Kündigung
Wenn der Arbeitgeber eine ordnungsgemäße und rechtlich wirksame Kündigung ausspricht, muss er keine Abfindung zahlen – sofern kein Sozialplan besteht oder keine tarifliche bzw. vertragliche Regelung einen Abfindungsanspruch vorsieht.
Der Arbeitnehmer hat jedoch die Möglichkeit, innerhalb von 3 Wochen ab Zugang der Kündigung eine Kündigungsschutzklage einzureichen. Damit kann er die Wirksamkeit der Kündigung anfechten, um im Rahmen eines Vergleichs eine Abfindung zu erzielen.
Versäumt er diese Frist, gilt die Kündigung als wirksam und der Arbeitgeber muss keine Abfindung zahlen.
Betriebsbedingte Kündigung
Eine betriebsbedingte Kündigung liegt vor, wenn der Arbeitgeber einen Arbeitnehmer aufgrund von betrieblichen Erfordernissen nicht mehr weiter beschäftigen kann.
Typische Gründe sind zum Beispiel:
- Umstrukturierungen
- Absatzschwierigkeiten
- Betriebsschließungen
Hier besteht grundsätzlich kein Abfindungsanspruch.
Eine Abfindung muss nur dann gezahlt werden, wenn einer der folgenden Fälle vorliegt:
- Ein Sozialplan sieht eine Abfindung vor.
- Der Arbeitgeber zahlt freiwillig eine Abfindung (nach § 1a Kündigungsschutzgesetz).
- Es kommt zu einem Vergleich im Rahmen eines Kündigungsschutzprozesses.
Rechtmäßige verhaltensbedingte Kündigung
Der Arbeitgeber kann eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen, wenn der Arbeitnehmer gegen arbeitsvertragliche Pflichten verstößt.
Gründe dafür sind:
- Arbeitsverweigerung
- Arbeitszeitbetrug
- Diebstahl
- Wiederholte unentschuldigte Fehlzeiten
Auch hier besteht kein Anspruch auf eine Abfindung, wenn die Kündigung rechtmäßig ist. Der Arbeitnehmer kann sie jedoch mit einer Kündigungsschutzklage anfechten und so versuchen, einen gerichtlichen Vergleich zu erzielen.
Meist gilt dies allerdings nicht bei schwerwiegenden arbeitsrechtlichen Pflichtverletzungen wie Diebstahl oder Betrug. In den meisten Fällen wird hier eine außerordentliche, fristlose Kündigung ausgesprochen und der Arbeitnehmer hat kaum Chancen auf eine Abfindung.
Rechtmäßige personenbedingte Kündigung
Bei einer personenbedingten Kündigung liegt der Grund für die Kündigung in der Person des Arbeitnehmers.
Das heißt: Der Mitarbeiter ist aufgrund von persönlichen Umständen dauerhaft nicht mehr in der Lage, seine vertraglich vereinbarte Arbeitsleistung zu erbringen.
Am häufigsten wird diese Kündigung ausgesprochen, wenn ein Arbeitnehmer wegen Krankheit arbeitsunfähig ist, wie bei Langzeiterkrankungen oder häufigen Kurzzeiterkrankungen.
Aber auch andere Umstände können eine personenbedingte Kündigung rechtfertigen – z. B. der Verlust der Fahrerlaubnis, wenn diese für die Ausübung bestimmter Tätigkeiten erforderlich ist.
Bei einer rechtmäßigen personenbedingten Kündigung besteht ebenfalls kein Anspruch auf eine Abfindung. Allerdings sind diese Kündigungen oft rechtlich angreifbar. Der Arbeitnehmer kann somit eine Kündigungsschutzklage einreichen, um im Rahmen eines Vergleichs eine Abfindung zu erhalten.
Eigenkündigung durch den Arbeitnehmer
Kündigt der Mitarbeiter von sich aus, besteht kein Anspruch auf eine Abfindung.
Da es in diesem Fall kein Kündigungsschutzverfahren gibt, fehlt der Druck auf den Arbeitgeber, eine Abfindung anzubieten.
Fristlose Kündigung aus wichtigem Grund
Liegt eine wirksame außerordentliche Kündigung nach § 626 BGB vor, muss der Arbeitgeber ebenfalls keine Abfindung zahlen. Grund für einen ebensolchen Fall können Bedingungen sein, die es unmöglich machen, das Arbeitsverhältnis bis zum Ablauf der Kündigungsfrist aufrechtzuerhalten – dazu können sexuelle Belästigung, Mobbing oder auch Arbeitsverweigerung zählen.
Ablauf eines befristeten Arbeitsvertrags
Wenn ein befristeter Arbeitsvertrag nach der vereinbarten Dauer abläuft, liegt keine Kündigung vor. Somit besteht auch kein Abfindungsanspruch.
Während der Probezeit
Während der Probezeit, die maximal 6 Monate betragen kann, gilt der allgemeine Kündigungsschutz nach dem Kündigungsschutzgesetz nicht.
Das bedeutet für Arbeitgeber: Sie können das Arbeitsverhältnis mit einer verkürzten Kündigungsfrist von 2 Wochen ohne Angabe von Gründen beenden.
Auch hier muss der Arbeitgeber keine Abfindung zahlen.
Zwar können Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage einreichen. Die Erfolgsaussichten, eine Abfindung zu erzielen, sind jedoch gering.
Kleinbetriebe ohne Kündigungsschutz
In Kleinbetrieben mit 10 oder weniger Mitarbeitern, deren Arbeitsverhältnis nach dem 31.12.2003 begonnen hat, greift der allgemeine Kündigungsschutz nicht. Wurde das Arbeitsverhältnis bis zum 31.12.2003 aufgenommen, dürfen im Unternehmen höchstens 5 Arbeitnehmer beschäftigt sein, um als Kleinbetrieb zu gelten.
Da in Kleinbetrieben kein Kündigungsschutz gilt, können Arbeitgeber das Dienstverhältnis beenden, ohne einen Kündigungsgrund nennen zu müssen. Die entsprechenden Kündigungsfristen müssen allerdings eingehalten werden.
Auch in diesen Fällen besteht grundsätzlich keine Pflicht zur Zahlung einer Abfindung.
Keine vertragliche oder tarifliche Regelung
Wenn kein Abfindungsanspruch im Arbeitsvertrag, im Tarifvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung geregelt ist, muss der Arbeitgeber auch keine Abfindung zahlen.
Wann muss der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen?
Es gibt einige gesetzliche Ausnahmen, bei denen ein Anspruch auf eine Abfindung bei einer Kündigung besteht:
- § 1a Kündigungsschutzgesetz (KSchG): Der Arbeitgeber spricht eine betriebsbedingte Kündigung aus. Er bietet dem Arbeitnehmer eine Abfindung nach § 1a KSchG an, wenn dieser auf eine Kündigungsschutzklage verzichtet. Die Höhe der Abfindung beträgt hier 0,5 Monatsgehälter pro Beschäftigungsjahr.
- § 9 KSchG: Erhebt der Arbeitnehmer eine Kündigungsschutzklage, kann das Gericht die Kündigung für unwirksam erklären. In bestimmten Fällen kann es das Arbeitsverhältnis gegen eine Abfindungszahlung auflösen, weil z. B. die weitere Zusammenarbeit nicht zumutbar ist.
- §§ 111-113 Betriebsverfassungsgesetz (BetrVG): In Unternehmen mit mehr als 20 wahlberechtigten Arbeitnehmern muss der Arbeitgeber den Betriebsrat über geplante Betriebsänderungen informieren. Kommt es dabei zu wirtschaftlichen Nachteilen für den Arbeitnehmer, kann ein Sozialplan vereinbart werden, der Abfindungen vorsieht.
Abgesehen von den gesetzlichen Ausnahmen können andere Rechtsgrundlagen dazu führen, dass Arbeitgeber eine Abfindung zahlen müssen:
- Tarifliche oder vertragliche Regelung: Tarifverträge, Arbeitsverträge oder Betriebsvereinbarungen können Regelungen enthalten, die einen Anspruch auf eine Abfindung vorsehen.
- Aufhebungsvertrag: Ein Aufhebungsvertrag ist eine einvernehmliche Vereinbarung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer zur Beendigung des Dienstverhältnisses. Auch dieser kann festlegen, dass der Arbeitgeber eine Abfindung zahlen muss.
Gut zu wissen: Im Zusammenhang mit einer Abfindung oder einem Aufhebungsvertrag kann die Arbeitsagentur eine Sperrfrist beim Bezug von Arbeitslosengeld verhängen. Diese Sperrfrist gilt, wenn das Verhalten des Arbeitnehmers als versicherungswidrig anzusehen ist – z. B. wenn er durch sein eigenes Verhalten den Anlass zur Kündigung herbeigeführt hat.
Was Arbeitgeber bei Abfindungen beachten sollten
In den meisten Fällen müssen Arbeitgeber keine Abfindung zahlen. Falls Abfindungen doch vereinbart werden, sollten Arbeitgeber einige Punkte beachten – vor allem, wenn es um die Vertragsgestaltung und Abwicklung der Zahlung geht.
- Klare Regelung in Abfindungsklauseln, in welchen Fällen eine Abfindung zu zahlen ist.
- Arbeitgeber sollten zwischen arbeitgeber- und arbeitnehmerseitiger Kündigung unterscheiden.
- Unspezifische Formulierungen können z. B. auch bei Eigenkündigungen durch den Arbeitnehmer zu Abfindungspflichten führen (LAG Thüringen, 5 Sa 170/22).
Ebenfalls ist es wichtig, vereinbarte Fälligkeitstermine bei der Abfindungszahlung einzuhalten. So können vorzeitige Zahlungen zu Schadenersatzansprüchen führen, wenn dadurch steuerliche Nachteile für den Arbeitnehmer entstehen (LAG Köln, 7 Sa 584/23).