Wie viele Dekubitus-Grade gibt es? – Klassen, Risikofaktoren und Maßnahmen

05.11.2025 | T. Reddel – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Egal, ob ein älterer Mensch im Pflegeheim oder eine bettlägrige Patientin im Krankenhaus – langes Liegen oder Sitzen kann unter Umständen zu einem Dekubitus führen. Zur fachgerechten Einschätzung einer solchen Wunde gibt es sogenannte Dekubitus-Grade. Wie viele es davon gibt, welche Merkmale sie aufweisen und wie eine bedarfsgerechte Behandlung aussieht, zeigt dieser Beitrag.

Inhaltsverzeichnis

  1. Was ist Dekubitus? – Definition
  2. Welche Dekubitus-Grade gibt es?
  3. Risikofaktoren und Assessment
  4. Dekubitus-Behandlung: Dokumentation und Therapie

Was ist Dekubitus? – Definition

Ein Dekubitus ist ein Druckgeschwür, bei dem ein Teil der Haut und/oder das darunterliegende Gewebe geschädigt sind. Die häufigste Ursache ist langes Liegen oder Sitzen. Dadurch wird hoher Druck auf knöcherne Vorsprünge ausgeübt, also an Stellen, an denen sich der Knochen direkt unter der Haut befindet und kein Gewebe dazwischenliegt. Hierzu gehören zum Beispiel der Hinterkopf, das Steißbein und die Ferse. 

Der anhaltende Druck durch das eigene Körpergewicht sorgt dafür, dass die betroffenen Stellen nicht mehr ausreichend durchblutet und mit Nährstoffen versorgt werden. Die Haut wird dünner und es kommt zu einem begrenzten Absterben (Nekrose) der Haut. Die Folge: Es entsteht eine offene Wunde, die nur schlecht und sehr langsam heilt.

Um zu beurteilen, ob ein Dekubitus vorliegt und wie stark dieser ausgeprägt ist, gibt es offizielle Dekubitus-Grade. Gemeinsam mit dem Expertenstandard zur Dekubitusprophylaxe in der Pflege bieten sie Leitlinien für die fachgerechte Prävention, Diagnose und Behandlung von Dekubitus.

Welche Dekubitus-Grade gibt es?

Dekubitus werden je nach Gewebsschädigung, Aussehen und Tiefe der Wunde in verschiedene Kategorien eingeteilt. Dies ist wichtig für die Dokumentation und die anschließende Abrechnung von Pflegeleistungen. Das dazugehörige und in Deutschland geltende Klassifikationssystem basiert auf Empfehlungen des US National Pressure Ulcer Advisory Panel (NPUAP), des European Pressure Ulcer Advisory Panel (EPUAP) und der Pan Pacific Pressure Injury Alliance (PPPIA). Es dient insbesondere der Prävention und Behandlung von Druckgeschwüren.

Die aktuelle Dekubitus-Kategorisierung nach NPUAP, EPUAP und PPPIA lautet:

Dekubitus-Kategorie Merkmale
Kategorie/Stadium 1: Eythem bei intakter Haut
  • Die Haut ist intakt.
  • Die Fingerdruckmethode nach Phillips ergibt eine nicht wegdrückbare Rötung.
  • Neben Farbveränderungen auch Temperatur- oder Konsistenzveränderungen möglich.
  • Schmerzangaben sind verschieden.
Kategorie/Stadium 2: Zerstörung der Haut bis in die Dermis
  • Die Haut ist nicht mehr intakt.
  • Es kommt zur Blasenbildung. Die Blase kann geschlossen oder bereits zerstört sein.
  • Fett und tiefere Gewebe sind nicht sichtbar. Granulationsgewebe, Beläge oder Schorf treten nicht auf.
  • Der Wundgrund ist feucht und weitgehend belagfrei.
Kategorie/Stadium 3: Vollständiger Verlust der Haut – Ulkusbildung
  • Hautschichten sind komplett zerstört.
  • Fettgewebe wird sichtbar.
  • Beläge auf dem Wundgrund sind möglich.
  • Faszien, Muskeln, Sehnen, Bänder, Knorpel und/oder Knochen sind nicht freigelegt.
Kategorie/Stadium 4: Vollständiger Haut- und Gewebeverlust
  • Tiefer Gewebeschaden mit tastbaren Faszien, Muskeln, Sehnen, Bändern, Knorpel oder Knochen im Ulkus.
  • Beläge und Nekrosen sind sichtbar.
  • Unterminierungen und Taschenbildungen.

Daneben gibt es noch zwei Sonderkategorien, die jedoch nicht beziffert werden:

Nicht zuordenbarer Dekubitus: Verdeckter vollständiger Haut- und Gewebeverlust
  • Vollständiger Gewebsverlust.
  • Die Basis des Geschwürs ist mit Belägen und/oder Schorf bedeckt.
  • Die Tiefe der Gewebsschädigung ist erst analysierbar, wenn die Beläge entfernt wurden.
Tiefe druckbedingte Gewebeschädigung: Nicht wegdrückbare Verfärbung der Haut
  • Intakte oder nicht-intakte Haut mit einem lokalen Bereich mit durchgehend nicht wegdrückbarer tiefroter, kastanienbrauner, violetter Verfärbung.
  • Blutgefüllte Blase möglich.
  • Weitere Symptome: Schmerzen und Temperaturveränderungen.
  • Mögliche Ursachen: intensiver und/oder langanhaltender Druck- und Scherkräfte.

Hinweis: Das NPUAP und das EPUAP empfehlen, statt von Dekubitus-Graden von Dekubitus-Kategorien zu sprechen. Die Einteilung in und Bezeichnung von Schweregraden wurde zwar bereits 1975 von J. B. Shea geprägt, hält sich jedoch bis heute im Sprachgebrauch.

→ Für Gesundheitseinrichtungen ist es wichtig, sich an die Kategorisierung nach EPUAP und NPUAP zu halten und bei der Abrechnung die ICD-10-Kodierung zu beachten.

Risikofaktoren und Assessment

Um das Risiko für eine Dekubitusbildung einschätzen zu können, sollten medizinische Angestellte die Hautbeschaffenheit sowie die Aktivität, Mobilität und Ernährung der pflegebedürftigen Person beobachten.

Folgende Fragen helfen dabei, mögliche Risikofaktoren für einen Dekubitus einzuschätzen: 

Haut- und Gewebeassessment (auch Schleimhäute und Druckgeschwüre durch medizinische HIlfsmittel)
  • Fingerdruckmethode bei Hautrötungen: Einen Finger für drei Sekunden auf die Hautrötung drücken. Nach dem Entfernen des Fingers die Weißfärbung einschätzen:
    • Beim Drücken entsteht ein weißer Umriss. Nach dem Loslassen erscheint der Fingerabdruck für einen Moment weiß. 
      → Wegdrückbare Rötung, Fingertest negativ.
      → Rötung hat vermutlich andere Ursache und deutet nicht auf einen Dekubitus hin.
    • Rötung bleibt auch nach Loslassen des Fingers bestehen.
      → Nicht wegdrückbarer Rötung, Fingertest positiv.
      → Dekubitus ersten Grades.
    • Bei dunkelpigmentierter Haut immer lokale Symptome im Vergleich zum umliegenden Gewebe einschätzen!
Einschätzung der Aktivität
  • Bestehen Einschränkungen bei der Fortbewegung?
  • Ist die Person bettlägerig?
  • Verbringt sie die meiste Zeit im Bett oder im Stuhl?
  • Ist sie auf Hilfe (Hilfsmittel oder personelle Unterstützung) beim Gehen angewiesen? 
  • Benötigt die Person Hilfe beim Transfer aus liegender oder sitzender Position?
  • Braucht sie einen Rollstuhl, um sich fortbewegen zu können?
Einschätzung der Mobilität
  • Kann die Person ihre Position ausreichend alleine verändern?
  • Hat die Person die Kontrolle über ihre Position beim Liegen oder im Sitzen, oder kann sie kaum oder keinen Positionswechsel durchführen?
  • Ist sie fähig, ihre Position selbstständig und zumindest geringfügig (Mikrobewegung) zu wechseln?
Ernährungsassessment
  • Verliert die Person innerhalb von 30 Tagen mehr als 5 % oder in 180 Tagen mehr als 10 % ihres Körpergewichts?
  • Wie selbstständig kann die Person essen?
  • Wie ist die gesamte Nährstoffaufnahme gestaltet?
  • Welche Bedürfnisse hat die Person bezüglich Kalorien, Proteinen und Flüssigkeit?
  • Gibt es Probleme mit der Mundgesundheit?

Bei der Risikoeinschätzung für mögliche Dekubitus-Grade sind folgende Körperbereiche besonders gefährdet, einen Dekubitus zu entwickeln:

  • Ohrmuschel
  • Hinterkopf
  • Schulterblatt
  • Schultergelenk
  • Ellbogen
  • Wirbelsäule
  • Steißbein/Kreuzbein
  • Sitzbein
  • Beckenkamm
  • Trochanter Major
  • Kniegelenk
  • Fußknöchel außen und innen
  • Ferse

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Wurde tatsächlich einer der Dekubitus-Grade festgestellt, ist eine entsprechende Therapie erforderlich.

Dekubitus-Behandlung: Dokumentation und Therapie

Jeder Dekubitus muss nach den Richtlinien der Wundbeschreibung exakt beschrieben werden. Nur dann ist es möglich, geeignete Therapiemaßnahmen einzuleiten. Das umfasst neben der Wunddokumentation auch die Erfassung des gesamten Patientenstatus.

Evaluierung des Patientenstatus bei Dekubitus
Eine erneute Einschätzung nach dem Risikoassessment mit Bestimmung…
der Grunderkrankung der Patientin/des Patienten
des Ernährungsstatus
der Medikamente
der Störfaktoren der Wundheilung
der Schmerzerhebung

Außerdem ist eine exakte Beschreibung der Wunde erforderlich, die folgende Angaben enthält:

Wundbeschreibung eines Dekubitus
Stadium nach EPUAP
Wundgröße (Länge, Breite, Tiefe)
Taschenbildungen, Unterminierungen und Fistelungen
Beschreibung der Wundheilungsphase
Beschreibung von Wundgrund, Wundrand und Wundumgebung
Lokalisation
Fotodokumentation empfohlen

Mithilfe dieser Wundbeschreibung kann das Fachpersonal eine bedarfsgerechte Lokaltherapie erarbeiten. Gemeinsam mit der Kausaltherapie bildet sie die Grundlage der Dekubitusbehandlung.

Kausaltherapie

Die Kausal- oder Ursachentherapie umfasst folgende Faktoren:

  • Vollständige Druckentlastung zur Wiederherstellung der Durchblutung durch geeignete Lagerung/Positionierung
  • Ernährungsverbesserung (angepasst an den steigenden Energie- und Proteinbedarf)
  • Schmerztherapie (bei der Lagerung, mit speziellem Material, durch Medikamentengabe von Schmerzmitteln)
  • Verbesserung des Allgemeinzustandes (ausreichende Flüssigkeitszufuhr, Mobilisierung)
  • Wundtherapie (umfassende Erstbeurteilung, Erstellung eines Behandlungsplan, regelmäßige Neubewertung)

Lokaltherapie

Zur Lokaltherapie gehören folgende Maßnahmen:

  • Auswahl der Verbände und Wundauflagen
  • Chirurgisches Débridement zur Nekroseentfernung (etwa bei Verdacht auf Sepsis, bei Dekubitus-Grad 3 und 4)
  • Infektionsbekämpfung (ausreichende Sauerstoffzufuhr)
  • Phasengerechte feuchte Wundversorgung
Diese Aspekte sollten individuell auf die Patientin/den Patient abgestimmt werden, um die Dekubitus-Grade stetig zu verringern und eine möglichst nachhaltige Heilung zu ermöglichen. Dies erfordert jedoch das entsprechende Fachwissen der behandelnden Pflegekräfte und anderer medizinischer Angestellter.

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Quellen: E-Learning „DEKRA-zertifizierte/r Wundexperte/-expertin“, Institut für Innovationen im Gesundheitswesen und angewandte Pflegeforschung e.V., Expertenstandard „Dekubitusprophylaxe in der Pflege“