Inhaltsverzeichnis
- Was ist die TRGS 900? – Bedeutung
- TRGS 900 aktuell: Änderungen und neue Grenzwerte
- Tabelle zu Arbeitsplatzgrenzwerten und Kurzzeitwerten
- Gefährdungsbeurteilung nach TRGS 900 erstellen
Was ist die TRGS 900? – Bedeutung
Die Technische Regel für Gefahrstoffe (TRGS) 900 gehört zu den Technischen Regeln des Ausschusses für Gefahrstoffe. Sie beinhaltet den aktuellen Stand der Technik, Arbeitsmedizin und anderen wissenschaftlichen Erkenntnissen.
Merkmal der TRGS 900 sind die konkreten Grenzwerte für Arbeitsstätten. Als Arbeitsplatzgrenzwerte gelten gem. Gefahrstoffverordnung (GefStoffV) die Werte, die die durchschnittliche Luftkonzentration eines Stoffes am Arbeitsplatz aufzeigen.
Das Einhalten der Grenzwerte soll die Beschäftigten vor Gefährdungen durch orale Exposition mit Gefahrstoffe schützen.
Für die Inhalte der TRGS 900 ist der Ausschuss für Gefahrstoffe zuständig. Er erstellt die Grenzwerte der Technischen Regel und passt sie ggf. an neue Entwicklungen an. Nach Zusammenstellen der Werte veröffentlicht das BMAS die Technische Regel im Gemeinsamen Ministerialblatt, wie zuletzt im März bzw. April 2023.
TRGS 900 aktuell: Änderungen und neue Grenzwerte
Seit ihrer erstmaligen Veröffentlichung im Januar 2006 wurde die TRGS 900 immer wieder ergänzt und angepasst. Der folgende Abschnitt gibt daher einen Überblick über die wichtigsten Änderungen und Ergänzungen der letzten Jahre.
Neuerungen aus 2023
Am 20.04.2023 erschienen Änderungen der TRGS 900 im Gemeinsamen Ministerialblatt. Sie wurden bereits am 20.03.2023 vom Bundesministerium für Arbeit und Soziales (BMAS) bekannt gegeben und sind vorrangig als Ergänzung zu betrachten.
Konkret gibt es folgende Neuerungen:
Liste der AGW (Abschnitt 3)
Die Liste der verbindlichen Arbeitsplatzgrenzwerte (AGW) wurde angepasst. So wird der bisherige Eintrag zu 1,2-Dibromethan entfernt und in die TRGS 910 aufgenommen. Ebenfalls enthält die Liste seit März 2023 folgende Stoffe:
Stoffidentität | Arbeitsplatzgrenzwert | Spitzenbegrenzung | Bemerkungen | |||
Bezeichnung | EG-Nr. | CAS-Nr. | ml/m3 (ppm) | mg/m3 | Überschreitungsfaktor | |
Acrylsäure | 201-177-9 | 79-10-7 | 10 | 30 | 1(I); =2= | DFG, EU, Y |
Cumol | 202-704-5 | 98-82-8 | 10 | 20 | 4 (II) | AGS, DFG, EU, H, X, Y |
1,4-Dioxan | 204-661-8 | 123-91-1 | 20 | 73 | 2 (I) | DFG, EU, H, X, Y, 29 |
2-Ethylhexan-1-ol | 203-234-3 | 104-76-7 | 1 | 5,4 | EU, Y, 11 |
Hinzu kommen einige Berichtigungen zu Einträgen in der Grenzwertliste:
- Aus Heptan (alle Isomere) wird n-Heptan, hinzugefügt werden die EG-Nr. 205-563-8 und die CAS-Nr. 142-82-5.
- Bei Kieselgut gelten die neue EG-Nr. 262-373-8 und die CAS-Nr. 60676-86-0.
- Anstelle von 2-Methylpropanol-2 wird 2-Methylpropan-2-ol beschrieben.
- Der Stoff Morpholin erhält zusätzlich die Bemerkung EU.
- Die CAS-Nr. 23255-03-0 bei Nitrilotriessigsäure und ihren Natriumsalzen wird zu 23255-03-3.
- Bei Pentanole (alle Isomere) bezieht sich die Bemerkung EU nur auf den Stoff 3-Methylbutan-1-ol.
- Bei Terphenyl, hydriert kommt die neue die Angabe 2 ml/m3 (ppm).
Verzeichnis der CAS-Nummern (Abschnitt 4)
Im Verzeichnis der CAS-Nummern wurden sowohl Einträge gestrichen als auch ergänzt.
CAS-Nummer | Bezeichnung | |
gestrichen | 23255-03-3 | s. Nitrilotriessigsäure und ihre Natriumsalze |
106-93-4 | 1,2-Dibromethan | |
7699-41-4 | Kieselgut | |
ergänzt | 142-82-5 | n-Heptan |
23255-03-0 | s. Nitrilotriessigsäure und ihre Natriumsalze | |
60676-86-0 | Kieselgut |
Neben der TRGS 900 müssen Sicherheitsverantwortliche andere Regeln wie die TRGS 903 „Biologische Grenzwerte“ berücksichtigen. Umso wichtiger ist es, dass sich Verantwortliche im Arbeitsschutz regelmäßig über Neuerungen von Technischen Regeln informieren.
Einen Überblick über aktuell geänderte TRGS mit ausführlichen Erläuterungen zu ausgewählten Technischen Regeln finden Sicherheitsverantwortliche im Praxishandbuch „Die Gefahrstoffverordnung“. Sie erhalten mit dem Werk zusätzliche Handlungsempfehlungen sowie Arbeitshilfen für die reibungslose Umsetzung der gesetzlichen Anforderungen im Betrieb.
TRGS 900: Änderungen 2021
Auch am 02.07.2021 gab das BMAS im Gemeinsame Ministerialblatt Änderungen in der TRGS 900 bekannt. Davor wurden bereits im März 2021 Neuerungen zur TRGS beschlossen worden. Abgesehen von einigen redaktionellen Anpassungen sind für Arbeitgeber und andere Sicherheitsverantwortliche folgende Änderungen wichtig:
Neue Einträge für Gefahrstoffe
Die TRGS 900 umfasst seit dem 02.07.2021 zusätzlich neue bzw. angepasste Gefahrstoffe. Auch im März 2021 sind einige neue Gefahrstoffe hinzugekommen oder abgeändert worden.
Die folgende Übersicht zeigt die wichtigsten Neuerungen von 2021:
Datum | Stoffidentität | Arbeitsplatzgrenzwert | Spitzenbegrenzung | ||||
Gefahrstoff | EG-Nr. | CAS-Nr. | ml/m3 (ppm) | mg/m3 | Überschreitungsfaktor | Bemerkungen | |
02.07.2021 | Bis(2-methoxyethyl)ether | 203-924-4 | 111-96-6 | 1 | 5,56 | 8 (II) | DFG, H, Z |
Cadmium und anorganische Cadmium Verbindungen | 231-152-8 | 7440-43-9 | 0,002 (E) | 8 (II) | AGS, X, 10, 39 | ||
2-Methylpropan-2-thiol | 200-890-2 | 75-66-1 | 1 | 3,7 | 2 (II) | DFG, H, Sh, Y | |
N-1-Naphthylanilin | 201-983-0 | 90-30-2 | 2 E | 2 (II) | DFG, Y, Sh | ||
Toluol | 203-625-9 | 108-88-3 | 50 | 190 | 2 (II) | DFG, EU, H, Y | |
Triphenylphosphat | 204-112-2 | 115-86-6 | 12,5 E | 2 (II) | DFG, Y | ||
O,O,O-Triphenylthiophosphat | 209-909-9 | 597-82-0 | 20 | 2 (II) | DFG | ||
24.03.2021 | Chlormethan | 200-817-4 | 74-87-3 | 21 | 10 | 1 (II) | DFG, EU |
Hartholzstaub | 2 E | EU, 28, 38 | |||||
Hexachlorethan | 200-666-4 | 67-72-1 | 9,8 | 1 | 2 (II) | Y, H, DFG, 11 | |
Methylvinylether | 203-475-4 | 107-25-5 | 120 | 50 | 2 (I) | Y, AGS | |
1,1,2,2-Tetrachlorethan | 201-197-8 | 79-34-5 | 7 | 1 | 2 (II) | AGS, DFG, H | |
2,4,6-Trichlor-1,3,5- triazin | 203-614-9 | 108-77-0 | 0,0076 | 0,001 | 2 (I) | Y, Sh, DFG, 11 | |
Tritolylphosphat, Isomere, „frei von o-Isomeren“ | 201-105-6 209-241-8 215-548-8 | 78-32-0 563-04-2 1330-78-5 | 5 E | 2 (II) | Y, H, DFG |
Daneben hat das BMAA am 02.07.2021 noch gesondert neue CAS-Nummern verkündet.
Geänderte CAS-Nummern
In Abschnitt 4 der TRGS 900 gibt es künftig folgende neue CAS-Nummer:
CAS-Nummer | Bezeichnung |
75-66-1 | 2-Methylpropan-2-thiol |
90-30-2 | N-1-Naphthylanilin |
115-86-6 | Triphenylphosphat |
597-82-0 | O,O,O-Triphenylthiophosphat |
7440-43-9 | Cadmium |
8042-47-5 | Weißes Mineralöl (Erdöl) |
Die CAS-Nummer „593-60-2“ für Bromethylen (Vinylbromid) entfällt dafür zukünftig.
Vor Juli und März 2021 erschienen im Oktober 2020 Neuerungen zur TRGS 900. Welche Änderungen damals in Kraft traten, zeigt der folgende Abschnitt.
Geänderte Vorgaben von 2020
Das BMAS hatte bereits am 27.10.2020 und 02.10.2020 aktualisierte Fassungen der TRGS 900 veröffentlicht. Zusammengefasst gab es im Oktober 2020 folgende Neuerungen:
Datum | Änderung | Stelle in der TRGS |
02.10.2020 |
| Nummer 2.6 Abs. 3, Nr. 2 |
| Nummer 3 (Liste der Grenzwerte) | |
| ||
| Nummer 4 (Verzeichnis der CAS-Nummern) | |
27.10.2020 |
| Nummer 3 (Liste der Grenzwerte) |
| ||
| Nummer 4 (Verzeichnis der CAS-Nummern) |
Tabelle zu Arbeitsplatzgrenzwerten und Kurzzeitwerten
Hauptbestandteil der TRGS 900 ist eine Übersicht der Arbeitsplatzgrenzwerte und Kurzzeitwerte zu verschiedenen chemischen sowie biologischen Gefahrstoffen. Die Stoffe sind nachfolgenden Kriterien sortiert:
- Alphabetische Reihenfolge anhand chemischer Bezeichnungen der Gefahrstoffe
- EG-Nummer: Registriernummer des „European Inventory of Existing Chemical Substances“
- Listen-Nummer: Zuordnung von Nummern aus Vorregistrierung oder Registrierung gem. „EU-REACH-Verordnung“.
- CAS-Nummer: Registriernummer des „Chemical Abstract Service“
Grundsätzlich gelten alle Arbeitsplatzgrenzwerte aus der TRGS 900 als Schichtmittelwerte. Sie richten sich nach einer durchschnittlichen Arbeitszeit von 8 Stunden täglich an 5 Arbeitstagen pro Woche.
Formel für Arbeitsplatzgrenzwerte
Als Einheit listet die Technische Regel die Arbeitsplatzgrenzwerte sowohl in ml/m3 als auch in mg/m3 auf. Allerdings müssen Sicherheitsverantwortliche das Volumen (ml) des Dampfes berücksichtigen, nicht das der Flüssigkeit.
Um die Einheiten umzurechnen, stellt die TRGS 900 folgende Formel auf:
Das Ergebnis der Formel gilt bei einer Temperatur von 20 °C und einem Druck von 101,3 kPa. Neben dieser Formel gibt es noch eine zusätzliche Formel für Kohlenwasserstoffgemische.
Arbeitsplatzgrenzwerte für Kohlenwasserstoffgemische
Die TRGS 900 stellt spezielle Anforderungen an Kohlenwasserstoffgemische. Die Gemische zeichnen sich durch folgende Eigenschaften aus:
- C-Zahlen bis C14
- Siedebereich bis ca. 250 °C
- Benzolgehalt: < 0,1 Gew.-%
- Keine kohlenwasserstofffremden Additive.
Für solche Kohlenwasserstoffgemische gibt die Technische Regel eine gesonderte Formel vor. Sie lautet:
In der Formel bedeuten die einzelnen Bestandteile:
AGWGemisch |
|
Fraktiona,b…n |
|
AGWa,b…n |
|
Die Formel greift auch für solche Kohlenwasserstoffe, denen in der Liste der TRGS 900 bereits ein spezifischer Arbeitsplatzgrenzwert zugewiesen ist.
Gefährdungsbeurteilung nach TRGS 900 erstellen
Sicherheitsverantwortliche nutzen die Arbeitsplatzgrenzwerte aus der TRGS 900, um festzustellen, ob Gefahrstoffe die Sicherheit und Gesundheit der Beschäftigten am Arbeitsplatz beeinträchtigen. Die Erkenntnisse aus der Analyse hat der Arbeitgeber in seiner Gefährdungsbeurteilung gem. § 5 Arbeitsschutzgesetz (ArbSchG) zu berücksichtigen.
Speziell bei der Gefährdung durch Gefahrstoffe müssen Verantwortliche folgende Faktoren aus der TRGS 900 berücksichtigen:
• unterschiedliche Eigenschaften der einzelnen Gefahrstoffe
Beim Beurteilen der Gefährdungen müssen Verantwortliche nicht nur die riskante Wirkung der einzelnen Stoffe beachten, sondern auch Konzentration, Expositionszeit und Partikelgestalt. Außerdem ist zu berücksichtigen, dass die Beschäftigten i. d. R. nur einen kleinen Teil der Gesamtpartikelmenge einatmen.
• Gefährdungen durch Staub, Rauch und Nebel
Die TRGS 900 bezieht sich bei ihren Grenzwerten v. a. auf Gefährdungen durch Schwebstoffe. Die Eigenschaften von Schwebstoffen wie Staub, Rauch und Nebel sind in der Technischen Regel jedoch allesamt unterschiedlich beschrieben.
Die Technische Regel definiert die einzelnen Begriffe wie folgt:
Begriff | Definition nach TRGS 900 |
Staub | Feste Stoffe, die sich in der Luft fein zerstreuen und durch mechanische Prozesse oder Aufwirbelung entstehen. |
Rauch | Feste Stoffe, die sich in der Luft verteilen und durch thermische und/oder chemische Prozesse aufkommen. |
Nebel | Flüssige Stoffe, die sich in der Luft ausbreiten und durch Kondensation oder Dispersion hervortreten. |
• Konzentrationsschwankungen der Gefahrstoffe
So schnell sich die generelle Zusammensetzung der Atemluft in Arbeitsstätten ändert, so unterschiedlich hoch ist auch der Anteil von Gefahrstoffen in der Luft über längere Zeit. Zur Orientierung teilt die TRGS 900 den einzelnen Gefahrstoffen neben den Arbeitsplatzgrenzwerten auch Kurzzeitwerte zu. Die Kurzzeitwerte ergeben sich aus dem jeweiligen Arbeitsplatzgrenzwert und dem Überschreitungsfaktor des Grenzwerts. Der Faktor kann zwischen 1 und 8 liegen.
• hautresorptive Stoffe
Bei Gefahrstoffen, die die Beschäftigten leicht durch die Haut aufnehmen können (=hautresorptiv), müssen Sicherheitsverantwortliche nicht nur die Arbeitsplatzgrenzwerte beachten. Um den Gesundheitsschutz der Beschäftigten vollumfänglich zu gewährleisten, gilt bei hautresorptiven Stoffen zusätzlich die TRGS 401 „Gefährdung durch Hautkontakt“. Hautresorptive Stoffe sind in der Liste der TRGS 900 mit einem „H“ markiert.
Quellen: TRGS 900, baua.de, „Die Gefahrstoffverordnung“