Was wird neu geregelt?
Zunächst werden einige sprachliche Anpassungen vorgenommen, die keine inhaltliche Veränderung der Rechtslage bedeuten. So soll künftig einheitlich der Begriff „Kündigung“ verwendet werden, der die bisherige „Auftragsentziehung“ – sprachlich – ersetzt. Entsprechend muss der Auftraggeber dem Auftragnehmer den Auftrag auch nicht mehr „entziehen“, sondern kann ihn unter bestimmten Umständen nunmehr „kündigen“. Dies führt zu Änderungen in den maßgeblichen Regelungen der VOB/B, insbesondere bei Mängeln, die bereits während der Bauausführung sichtbar werden3 und in Fällen, in denen der Auftragnehmer mit der Bauausführung in Verzug gerät4.
Inhaltliche Änderungen finden sich zunächst in § 4 Abs. 8 Nr. 3 VOB/B, der künftig lauten wird:
„3. Der Auftragnehmer hat dem Auftraggeber die Nachunternehmer und deren Nachunternehmer ohne Aufforderung spätestens bis zum Leistungsbeginn des Nachunternehmers mit Namen, gesetzlichen Vertretern und Kontaktdaten bekannt zu geben. Auf Verlangen des Auftraggebers hat der Auftragnehmer für seine Nachunternehmer Erklärungen und Nachweise zur Eignung vorzulegen.“
Eine weitere inhaltliche Änderung bezieht sich auf die Normierung weiterer Gründe, die den Auftraggeber dazu berechtigen, den Auftrag außerordentlich zu kündigen.
Danach ist der Auftraggeber künftig zunächst unverändert zur Kündigung berechtigt, wenn er Auftragnehmer aus Anlass der Vergabe eine Abrede getroffen hat, die eine unzulässige Wettbewerbsbeschränkung darstellt5. Die Folgen der Kündigung unterscheiden sich nicht, von anderen Fällen. Das heißt, auch hier ist grundsätzlich eine Teilkündigung möglich6 und der Auftraggeber berechtigt, die Leistung auf Kosten des Auftragnehmers fertigzustellen7.
Darüber hinaus kann der Auftraggeber künftig einen Vertrag kündigen, der in den Anwendungsbereich des vierten Teils des GWB fällt, sich also auf Leistungen bezieht, die öffentlich vergeben wurden, und der Auftragnehmer wegen eines zwingenden Ausschlussgrunds zum Zeitpunkt des Zuschlags nicht hätte beauftragt werden dürfen8. Auch in diesem Fall richten sich die Rechtsfolgen einer Kündigung nach den üblichen Regularien9. Der Auftraggeber kann also ggf. die Mehrkosten für die Fertigstellung der Arbeiten des gekündigten Auftragnehmers durch einen Dritten von dem gekündigten Auftragnehmer ersetzt verlangen.
Bei öffentlichen Aufträgen ist eine Kündigung aber auch dann möglich, wenn eine wesentliche Änderung des Vertrags vorliegt oder bei Feststellung einer schweren Verletzung der Verträge über die Europäische Union und die Arbeitsweise der Europäischen Union durch den Europäischen Gerichtshof10. Denkbar sind insoweit insbesondere Verstöße der dem öffentlichen Auftrag vorangegangenen Ausschreibung.
In diesen Fällen ist die Beendigung des Vertrags i. d. R. nicht einseitig dem Auftragnehmer anzulasten, so dass auch die Rechtsfolgen abweichend geregelt werden müssen. Entsprechend sind die vom Auftragnehmer erbrachten Leistungen nach den vertraglichen Preisvereinbarungen abzurechnen und dem Auftragnehmer zudem die Kosten zu vergüten, die dem Auftragnehmer bereits entstanden sind und in den Vertragspreisen des noch nicht ausgeführten Teils der Leistung enthalten sind11. Soweit aus anderen Rechtsgründen Schadensersatzansprüche der Parteien bestehen sollten, bleibt deren Geltendmachung von der Kündigung unberührt12.
In allen Fällen einer Kündigung aus den vorgenannten Gründen ist diese nur dann wirksam, wenn sie innerhalb von zwölf Werktagen nach Bekanntwerden des Kündigungsgrunds ausgesprochen wird13.
In Fällen, in denen der Auftragnehmer eines öffentlich vergebenen Auftrags die außerordentliche Kündigung wegen veränderter Umstände oder einer durch den EuGH festgestellten Vertragsverletzung hinzunehmen hat, stünde er vor erheblichen Schwierigkeiten, wenn er die von ihm zu erbringenden Leistungen teilweise an Nachunternehmer weiter vergeben hat. Hier schafft eine weitere Neuregelung Abhilfe, die den Auftragnehmer ebenfalls zu einer Kündigung der Nachunternehmerverträge berechtigt, wenn ihm selbst aus den vorgenannten Gründen gekündigt wurde14. Dasselbe soll auch für den Nachunternehmer gelten, der ggf. seinerseits wieder Leistungen an einen Nachunternehmer vergeben hat15. Voraussetzung ist aber auch in diesen Fällen, dass die VOB/B im Verhältnis Auftragnehmer / Nachunternehmer bzw. Nachunternehmer / Nachunternehmer vereinbart – also wirksam in den Vertrag einbezogen – wurde.
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1Vgl. BAnz. AT v. 19.01.2016.
2Vgl. Richtlinie 2014/24/EU des Europäischen Parlaments und des Rats vom 26.02.2014 über die öffentliche Auftragsvergabe, ABl. 2014, 94.
3Vgl. § 4 Abs. 7 Satz 3, Abs. 8 Nr. 1 Satz 4 VOB/B 2016.
4Vgl. § 5 Abs. 4 i. V. m. § 8 Abs. 3 Satz 1 und 2 VOB/B 2016.
5Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 VOB/B 2016.
6Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 VOB/B 2016.
7Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 1 i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 2 VOB/B 2016.
8Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) VOB/B 2016.
9Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 a) i. V. m. § 8 Abs. 3 Nr. 1 Satz 2 und Nr. 2 bis 4 VOB/B 2016.
10Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) VOB/B 2016.
11Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) Satz 2 i. V. m. § 6 Abs. 5 VOB/B 2016.
12Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 1 Nr. 2 b) Satz 3 VOB/B 2016.
13Vgl. § 8 Abs. 4 Satz 2 VOB/B 2016.
14Vgl. § 8 Abs. 5 satz 1 VOB/B 2016.
15Vgl. § 8 Abs. 5 Satz 2 VOB/B 2016.