Hanfdämmung im Bau: technische Bewertung eines nachhaltigen Dämmstoffs

09.05.2025 | S.Horsch – Online-Redaktion, FORUM VERLAG HERKERT GMBH

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Die Hanfdämmung gehört zur Gruppe der pflanzenbasierten Dämmstoffe und wird aufgrund ihrer ökologischen Eigenschaften zunehmend im nachhaltigen Bauwesen berücksichtigt. Ihr Einsatz erfordert eine differenzierte Bewertung hinsichtlich thermischer, akustischer und feuchtebezogener Leistungsparameter. Dieser Beitrag liefert eine technische Analyse der Hanfdämmung unter Berücksichtigung normativer Anforderungen und praxisrelevanter Einsatzgebiete.

 

Inhaltsverzeichnis

  1. Eigenschaften und Herstellungsprozess der Hanfdämmung
  2. Normen, Zulassungen und baurechtliche Aspekte der Hanfdämmung
  3. Anwendungsbereiche der Hanfdämmung
  4. Vergleich mit anderen Dämmstofftypen
  5. Hanfdämmung und Lehmputze: eine synergetische Kombination
  6. Nachteile und Herausforderungen der Hanfdämmung
  7. Fazit: Hanfdämmung im Kontext moderner Bauanforderungen
  8. FAQ zur Hanfdämmung

Eigenschaften und Herstellungsprozess der Hanfdämmung

Die Hanfdämmung gehört zur Kategorie der pflanzlichen Dämmstoffe und zeichnet sich durch ihre nachhaltigen Eigenschaften aus. Der Rohstoff Hanf wächst innerhalb von nur 120 Tagen auf eine Höhe von etwa vier Metern heran, was zwei Erntezyklen pro Jahr ermöglicht.

Ein wesentlicher ökologischer Vorteil besteht im natürlichen Wachstumsverhalten der Pflanze: Durch die schnelle Bodenbeschattung wird Unkrautwachstum unterbunden, wodurch auf Herbizide verzichtet werden kann

Die Produktion von Hanfdämmung erfolgt vorwiegend durch mechanische Verfahren. Die für die Dämmung relevanten Fasern befinden sich in der äußeren Rindenschicht des Hanfpflanzenstängels. Nach dem Röstvorgang, der die Faserbündel löst, werden die Kurzfasern mechanisch verfilzt. Für elastische Hanfvliese kommen teilweise natürliche Bindemittel wie Kartoffelstärke oder synthetische Stützfasern zum Einsatz. Zur Erhöhung des Brandschutzes werden Borsalz oder Soda beigemischt.

Ist Hanf ein guter Dämmstoff?

Die technischen Eigenschaften von Hanfdämmung zeigen eine Wärmeleitfähigkeit zwischen 0,040 und 0,045 W/mK. Zwar liegt dieser Wert etwas über dem mineralischer Dämmstoffe wie Glaswolle-Dämmung, dennoch bietet Hanfdämmung effektiven Schutz gegen Kälte und Hitze. Besonders hervorzuheben ist die ausgezeichnete Schallschutzeigenschaft, die auf der offenporigen Struktur der Hanffasern basiert.

Hanf und seine physikalischen Kennwerte

  • Wärmeleitfähigkeit (λ): typischerweise 0,040–0,045 W/m·K
  • spezifische Wärmekapazität (c): ca. 2100 J/kg·K
  • Rohdichte: 30–42 kg/m³ (bei Matten), bis 100 kg/m³ (bei Schüttungen)
  • Diffusionswiderstandszahl (μ): 1–2 (dampfdiffusionsoffen)
  • Schallabsorptionsgrad: hoch, vor allem im mittleren Frequenzbereich

Diese Kennwerte qualifizieren Hanfdämmung insbesondere für den Einsatz in Bauteilen mit Anforderungen an Feuchtetransport und sommerlichen Wärmeschutz.

Normen, Zulassungen und baurechtliche Aspekte der Hanfdämmung

Die technische Bewertung und Verwendung von Hanfdämmstoffen erfolgt gemäß folgenden Regelwerken:

Für Bauprodukte, die in tragenden oder raumabschließenden Bauteilen verwendet werden, ist eine gültige bauaufsichtliche Zulassung (abZ) bzw. CE-Kennzeichnung erforderlich.

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Anwendungsbereiche der Hanfdämmung

Die Hanfdämmung zeichnet sich durch vielseitige Einsatzmöglichkeiten im Bauwesen aus:

Fußbodendämmung mit Hanf

Für Fußbodenkonstruktionen kommen unterschiedliche Hanfdämmvarianten zum Einsatz. Bei Balkenlagen wird vorrangig Hanffaserschüttung (FS) verwendet, während sich für Fußböden im Nass- oder Trockenaufbau die Hanf-Lehm-Schallschutzdämmung (LLS 200/300) eignet. Diese lässt sich einfach einbringen und passt sich optimal an unterschiedliche Balkenabstände an, ohne dass Zuschnitte erforderlich sind. Die LLS-Variante kann sowohl als Untergrund für Massivholzböden als auch als Trittschalldämmung unter Nassestrich verwendet werden.

Hanfdämmung für Außenwand und Fassade

Bei der Anwendung an Außenwänden muss beachtet werden, dass Hanfdämmung nicht uneingeschränkt für Wärmedämmverbundsysteme (WDVS) geeignet ist. Erfolgreich kommt sie jedoch in hinterlüfteten Fassadenkonstruktionen zum Einsatz. Durch ihre hohe Atmungsaktivität trägt sie zur Feuchteregulierung bei, was langfristig die Bausubstanz schützt.

Weitere Anwendungsbereiche

Daneben eignet sich Hanfdämmung hervorragend für:

  • Dachdämmung (Zwischen- und Untersparrendämmung)
  • Innenwanddämmung
  • Geschossdecken
  • Isolierung von Wand-Hohlräumen

Vergleich mit anderen Dämmstofftypen

Technisch-funktionale Abgrenzung
Dämmstofftyp λ-Wert (W/m·K) Diffusionsverhalten (μ) Brandschutz Umweltbilanz
Hanfdämmung 0,040–0,045 1-2 mittel (mit Zusatz) sehr gut
Holzfaserdämmung 0,038–0,050 5-10 mittel gut
Zellulosedämmung 0,039–0,045 2-3 gering (Zellulose) gut
Mineralwolle 0,032–0,040 >1 sehr gut hoch energieintensiv
EPS/Styropor 0,030–0,040 >20 gut bedingt gut

Die Stärken der Hanfdämmung liegen in der ökologischen Gesamtbilanz und der Diffusionsoffenheit. Schwächen bestehen im Bereich der Brandklassifizierung und teilweise bei druckbeanspruchten Anwendungen.

Hanfdämmung und Lehmputze: eine synergetische Kombination

Die Kombination von Hanfdämmung mit Lehmputzen erweist sich als besonders vorteilhaft. Der Hanf-Lehm Grundputz fungiert als Innenwand-Dämmung und erhöht spürbar die Oberflächentemperatur der Innenwand schon bei einer Stärke von 25-50 mm. Zusätzlich wirkt er als Akustik-Putz und dämmt die Nachhallzeit im Frequenzspektrum von 100 Hz bis 4.000 Hz. Seine weiche Struktur absorbiert Schallwellen anstatt sie zu reflektieren.

Bei der Verarbeitung ist zu beachten, dass alte Farb- und Putzreste vollständig entfernt werden müssen und die Oberfläche vor dem Auftrag genässt werden sollte. Nach vollständiger Durchtrocknung ist die Oberfläche mit einem Quast von losen Bestandteilen zu reinigen.

Welche Nachteile hat eine Hanfdämmung?

Nachteile und Herausforderungen der Hanfdämmung

Trotz zahlreicher Vorteile weist die Hanfdämmung auch einige Schwachpunkte auf:

  • Brandschutz
    Ein häufig genannter Nachteil ist der fehlende Brandschutz. Zur Verbesserung des Brandverhaltens werden daher Zusätze wie Borsalz eingebracht.
  • Feuchtigkeitsmanagement
    Obwohl Hanfdämmung durch ihre Atmungsaktivität Feuchtigkeit aufnehmen und wieder abgeben kann, ist je nach baulicher Situation unter Umständen eine Dampfbremse erforderlich. Bei korrekter Verarbeitung und ausreichender Luftzirkulation ist Hanfdämmung wenig anfällig für Schimmelbildung.
  • Schutz vor Nagetieren
    Ein interessanter Aspekt betrifft die Resistenz gegen Nagetiere: Hanf-Dämmwolle kann in Hohlräumen als natürliche Barriere gegen Wühlmäuse dienen, da sich diese in der reißfesten Faser „verheddern“. Dies stellt einen ökologischen Vorteil gegenüber konventionellen Schutzmaßnahmen dar.
  • Wirtschaftliche Aspekte
    Die Frage „Was kostet eine Hanfdämmung?“ muss im Kontext der Gesamtwirtschaftlichkeit betrachtet werden. Typischerweise liegen die Investitionskosten über denen konventioneller Dämmstoffe wie Glaswolle, was jedoch durch die längere Lebensdauer und bessere Ökobilanz relativiert wird. Eine exakte Kostenkalkulation sollte stets projektspezifisch erfolgen und neben den Materialkosten auch den Arbeitsaufwand sowie langfristige Einsparungen berücksichtigen.

Fazit: Hanfdämmung im Kontext moderner Bauanforderungen

Die oben gestellte Frage „Ist Hanf ein guter Dämmstoff?“ kann aus bautechnischer Perspektive bejaht werden. Die Hanffaserdämmung bietet mit ihrer Wärmeleitfähigkeit von 0,040-0,045 W/mK solide Dämmwerte, die für die meisten Anwendungen ausreichend sind. Besonders hervorzuheben sind die hervorragenden Schallschutzeigenschaften sowie die Fähigkeit zur Feuchtigkeitsregulierung.

Die Nachteile der Hanfdämmung liegen primär im erhöhten Brandrisiko ohne entsprechende Zusätze sowie in der eingeschränkten Eignung für bestimmte Anwendungen wie WDVS. Diese Faktoren müssen bei der Planung berücksichtigt werden.

Im Vergleich zu Holzfaserdämmung weist Hanfdämmung ähnliche ökologische Vorteile auf, unterscheidet sich jedoch in spezifischen Anwendungseigenschaften. Gegenüber mineralischen Dämmstoffen wie Glaswolle bietet Hanf zwar etwas geringere Dämmwerte, überzeugt jedoch durch bessere Feuchteregulierung und natürliche Herkunft.

Für Bauingenieure und Architektinnen, die nachhaltige Baukonzepte verfolgen, stellt die Hanfdämmung eine technisch ausgereifte Alternative dar, die bei fachgerechter Planung und Installation den steigenden Anforderungen an energieeffizientes und ökologisches Bauen gerecht wird.

FAQ zur Hanfdämmung

  • Ist Hanfdämmung für Neubauten geeignet? Ja, insbesondere in Kombination mit nachhaltigen Baustoffkonzepten und bei diffusionsoffenen Wandaufbauten.
  • Welche bauphysikalischen Kennwerte sind entscheidend? Wärmeleitfähigkeit, spezifische Wärmekapazität, Diffusionswiderstandszahl und Rohdichte.
  • Wie ist die Verarbeitung im Vergleich zu Glaswolle? Angenehmer, da keine Hautreizungen auftreten. Lose Materialien sind flexibel, Matten schneiden sich leicht.
  • Gibt es bauaufsichtliche Zulassungen? Ja, für geprüfte Produkte mit CE-Kennzeichnung oder ETA-Zulassung.
  • Wie steht es um die Wiederverwertbarkeit? Sehr gut – Hanfdämmstoffe sind stofflich verwertbar oder kompostierbar.

Quelle: Energie-experten.org; „EnEV und Energieausweise“; „Das Baustellenhandbuch für die Ausführung nach EnEV 2014“; 3N – Kompetenzzentrum Niedersachsen; BauNetzWissen; Fachwerk.de;