Inhaltsverzeichnis
- Moderne Barrierefreiheit – was ist das eigentlich?
- Die Kernpunkte des barrierefreien Bauens
- Schritt für Schritt barrierefrei Bauen – eine Praxisanleitung
- Fazit: Förderung von barrierefreiem Bauen
Moderne Barrierefreiheit – was ist das eigentlich?
Laut Staatsbauverwaltung, der Bauministerien der Länder und der deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) ist ein Bauobjekt dann als barrierefrei im Sinne von barrierefreiem Bauen zu klassifizieren, wenn:
- z. B. die Wohnung durch die betroffene Person und ohne fremde Hilfe sowie irgendeiner Art Einschränkung bewohnt werden kann.
- Personen mit geistigen und körperlichen Einschränkungen uneingeschränkt in Nutz- und Wohnräume verkehren können.
Barrierefreiheit umfasst aber nicht nur Gebäude oder öffentliche Anlagen, sondern auch den Arbeitsplatz, Verkehrsmittel und z. B. Dienstleistungen und Gebrauchsgegenstände. Dabei steht immer die Inklusion der Mitmenschen mit Einschränkungen im Mittelpunkt. Das wurde mit der EU-Richtlinie 2016/2102 bereits vor 6 Jahren noch um den barrierefreie Zugang zu Websites und mobilen Anwendungen öffentlicher Stellen erweitert – Experten sprechen in diesem Zusammenhang häufig von moderner Barrierefreiheit.
Dreh- und Angelpunkt der Barrierefreiheit bleibt dennoch das barrierefreie Bauen, wenn es um die Gestaltung des alltäglichen Lebens geht. Egal ob in den eigenen vier Wänden, dem Arbeitsplatz oder in öffentlichen Gebäuden, allen Mitmenschen muss es ohne größere Einschränkung und fremde Hilfe möglich sein, ihren Alltag bestreiten zu können.
Die Kernpunkte des barrierefreien Bauens
Unter dem Slogan „Bauen für alle!“ hat sich der Bund dazu verpflichtet, barrierefreies Bauen in den Fokus zu nehmen. Damit soll die Novelle des Behindertengleichstellungsgesetzes (BGG) mit Fokus auf dem Bausektor umgesetzt werden.
Gebäude sind demnach so zu errichten, dass Menschen mit motorischen, visuellen, auditiven oder kognitiven Einschränkungen diese ohne fremde Hilfe benutzen bzw. bewohnen können. So gelten für das barrierefreie Bauen drei Planungsziele:
- Leicht auffindbar
- Gut zugänglich
- Einfach nutzbar
→ Dies gilt nicht nur für Neubauten, sondern auch für den Bestand und Außenanlagen.
Das Nachschlagwerk Barrierefreies Bauen des BMWSB
Um die Planung und Umsetzung barrierefreien Bauens so reibungslos und einfach wie möglich zu gestalten, hat das Bundesministerium für Wohnen, Stadtentwicklung und Bauwesen (BMWSB) ein informatives Nachschlagwerk entwickelt, das gleichzeitig vielfältige Handlungsempfehlungen enthält.
Das Ziel des Ganzen ist es, barrierefreies Bauen möglichst widerstandarm ablaufen lassen zu können. Das wird vor allem dadurch umgesetzt, dass Planern, Architekten und Bauleitern in jedem Abschnitt der Plan- und Bauphase Praxiswissen vermittelt und Umsetzungstipps bereitgestellt werden.
Bestehend aus folgenden Kapiteln ist das Nachschlagwerk Barrierefreies Bauen eine wichtige Unterstützung für Planer, aber auch für ausführende Gewerke:
- Verschiedene Nutzungsbereiche des barrierefreien Bauens
- Phasen der Planungsprozesse
- Bestehende Grundlagen
- Planungs- und Ausführungsprozesse
- Kapitel Handlungsfelder
- Anwendung beispielhaft an einem fiktiven Projekt
Ein großes Plus ist hierbei, dass das Nachschlagwerk vollständig digital abrufbar ist und somit auch unterwegs oder auf Baustellen zu Rate gezogen werden kann.
Nichtwohngebäude | Wohngebäude |
Neubau | Neubau |
Bestand | Bestand |
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Basierend auf dieser Erstbestandaufnahme können Gebäude anhand der Checkliste hinsichtlich ihrer Barrierefreiheit überprüft, geplant oder umgesetzt werden.
Barrierefreies Bauen: Schritt für Schritt planen mit dieser Checkliste
Firma/Einrichtung | |
Name des Prüfers | |
Ort/Datum |
Prüffragen | Status | Anforderungen |
1. Schritt | ||
Neubau oder Bestand | □ | Prüfung der Rechtsgrundlage und generellen Vorgehensweise |
2. Schritt | ||
Vorgehensweise bei Neubauten Vorgehensweise im Bestand | □ | z. B. Wohngebäude, Pflegeheime, Krankenhäuser, Versammlungsstätten, Beherbergungsbetriebe u. a. (Wohnen oder öffentliches Gebäude) |
3. Schritt | ||
Einordnung des baulichen Vorhabens nach Funktion und Gebäudeklasse entsprechend den rechtlichen Vorgaben für barrierefreies Bauen in der Landesbauordnung | □ | Beachtung der Einteilung in den Landesbauordnungen |
4. Schritt | ||
Einbeziehen der rechtlichen Anforderungen an Barrierefreiheit und weiterer rechtlich bindender Vorgaben (Je nach Vorhaben sind verschiedene Bestimmungen und Empfehlungen zu beachten). | □ | Landesbauordnungen und dazugehörige Technische Regeln, Heimmindestbauverordnung, Bei Sonderbauten sind weitere Regeln zu beachten wie:
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5. Schritt | ||
Anordnung der Gebäude auf dem Grundstück, Anbindung an öffentliche Räume, Wege und Straßen | □ |
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6. Schritt | ||
Planung der äußeren Erschließung bei barrierefreiem Bauen:
| □ | Festlegen der Bewegungsflächen und vertikaler Erschließungsarten wie Rampen, Treppen, Aufzüge, Gangbreiten
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7. Schritt | ||
Planung der inneren Erschließung bei barrierefreiem Bauen entsprechend Gebäudeart:
| □ | Flure: Breiten nach DIN 18040-1 (öffentliche Gebäude) und 18040-2 (Wohnungen) Treppen: DIN 18065 Aufzüge: DIN EN 81-70 Rettungswege: generell nach Landesbauordnung, zusätzlich Mehr-Sinne- Prinzip (akustische und optische Leitsysteme) beachten Festlegen der Bewegungsflächen und der vertikalen Erschließungsarten nach DIN 18040-1 und 2 |
8. Schritt | ||
Planung und Gestaltung der Räume und Wohnungen in den Gebäuden unter Berücksichtigung von Maßnahmen für mobilitäts-, seh- und höreingeschränkte Personen und Sonderbereichen für geistig Behinderte, Rollstuhlnutzer, Personen mit geringen Einschränkungen, Wohnungen sowie öffentliche Gebäude | □ | Anordnung der Räume und barrierefreier Zugang zu allen Räumen und Etagen Rollstuhlnutzer:
Personen mit geringen Einschränkungen:
Wohnungen:
Öffentliche Gebäude:
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9. Schritt | ||
Sanitärräume | □ | Öffentliche Gebäude: Flächenbedarf nach DIN 18040-1 Wohngebäude: gem. DIN 18040-2, höhenverstellbare Objekte für verschiedene Körpergrößen und Mobilitäten, Bewegungsflächen berücksichtigen |
10. Schritt | ||
Küchen | □ | Bewegungsflächen nach DIN 18040-2, höhenverstellbare Einrichtung für verschiedene Körpergrößen und Mobilitäten |
11. Schritt | ||
Wohn- und Schlafräume | □ | Bewegungs- und Abstandsflächen vor und seitlich an Möbeln, Betten, Fenstern, Bedienelementen |
12. Schritt | ||
Gemeinschaftsräume sowie Infotheken/ Empfang | □ | Bewegungsflächen entsprechend Gebäudeart und Nutzung, Beleuchtung, Auswahl der Materialien, Farben und Kontraste Schallschutz:
Einplanung von Höranlagen (induktiv, FM-Anlage, Infrarotanlage) bedenken |
13. Schritt | ||
Technische Ausstattung ist entsprechend der erwarteten Nutzergruppe im Weiteren zu planen. Dabei steht die Unterstützung kognitiver, sensorischer und mobiler Einschränkungen im Vordergrund. (Die nebenstehenden Vorgaben stellen die wichtigsten Orientierungen bei der Planung dar.) | □ | Sanitärräume in Seniorenwohnungen:
Schallschutz:
Elektrische Anlagen:
Licht und Beleuchtung:
Orientierungshilfen und Beachtung des Mehr-Sinne-Prinzips:
Fußböden:
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14. Schritt | ||
Einbeziehung von Experten | □ | Behindertenbeauftragte, Verbände von besonderen Personengruppen, Sachverständige Barrierefreies Bauen |
Datum, Unterschrift des Prüfers |
Fazit: Förderung von barrierefreiem Bauen
Von je her hatte Architektur auch die Funktion auszuschließen. Wärme, Kälte, Lärm oder unerwünschte Besucher werden durch Wände, Türen und Dachkonstruktionen vor dem Eindringen in private und öffentliche Räume abgehalten. Hinzukam, dass der Fokus bei Nutzbauten auf deren Nutzung lag, aber nicht auf der Benutzbarkeit von Allen. Genau an dieser Stelle greift das novellierte Behindertengleichstellungsgesetz ein und versucht die Inklusion eingeschränkter Personen zu fördern.
Das hat zur Folge, dass großflächige Sanierungsmaßnahmen im Bestand durchgeführt werden müssen, um barrierefreies Bauem umzusetzen – was wiederum hohe Kosten nach sich zieht. Um dies abzufedern, können sowohl KfW-Förderprogramme als auch staatliche Investitionszuschussprogramme genutzt werden. Auf Länderebene gibt es z. B. in Bayern ein leistungsfreies Baudarlehen zur „behindertengerechten Anpassung von bestehendem Eigen- und Mietraum“ von bis zu 10.000 Euro.
Zusätzlich kann, wenn eine Pflegestufe vorliegt, bei der Pflegekasse ein Zuschuss für „Maßnahmen zur Verbesserung des individuellen Wohnumfeldes“ beantragt werden. Der maximale Förderbetrag beträgt hierbei 4000 Euro.
Laut Bund und Ländern ist barrierefreies Bauen nicht nur ein Gegenwartsprojekt, sondern wird aufgrund des demografischen Wandels auch in den nächsten Jahrzehnten immer brisanter. Somit kann davon ausgegangen werden, dass es in den kommenden Jahren zu weiteren Verordnungen und Regelungen für barrierefreies Bauen kommen wird.
Quelle: „Barrierefreie Bau- und Wohnkonzepte“, www.stmb.bayern.de