Inhaltsverzeichnis
- Homeschooling: Definition
- Homeschooling kann soziale Ungleichheit verstärken
- Kritik von Politik und Eltern am Homeschooling
- Vor- und Nachteile von Homeschooling
Homeschooling: Definition
Homeschooling (engl. für „Hausunterricht“) ist eine Unterrochtsform, in welcher Schülerinnen und Schüler von zu Hause aus digital unterrichtet werden. Die Lehrkräfte vermitteln den Lernstoff über virtuelle Klassenzimmer, gemeinsame Lernplattformen und andere digitale Lernangebote. Alternative Leistungskontrollen wie digitale Präsentationen und am Computer geschriebene Texte sollen die Schülerinnen und Schüler animieren, auch von zu Hause aus schulische Leistungen zu erbringen.
Homeschooling ermöglicht Infektionsschutz während Corona
Das Homeschooling ist ein digitales Lernkonzept, das vor allem durch die Corona-Krise in Deutschland Einzug gehalten hat und welches das Infektionsrisiko mit SARS-CoV-2 in den Schulen reduzieren soll. Die Verlagerung des Unterrichts von den Schulen in das Zuhause der Schülerinnen und Schüler soll deren Infektionsrisiko und das der Lehrkräfte senken und damit die weitere Ausbreitung von COVID-19 verhindern. Somit fördert Homeschooling die Gesundheit aller am Schulleben beteiligten Personen.
Homeschooling kann soziale Ungleichheit verstärken
Es ist fast unausweichlich gewesen, zur Bewältigung des Schulausfalls in der Corona-Pandemie auf dieses Lernkonzept zurückzugreifen. Allerdings setzt Homeschooling voraus, dass die Schülerinnen und Schüler zu Hause einheitliche Lernbedingungen erhalten, identisch zur Lernsituation in der Schule, wo alle Schülerinnen und Schüler mit denselben Rahmenbedingungen lernen können. Nur so können sich alle Schülerinnen und Schüler den Unterrichtsstoff im selben Umfang zu Hause aneignen. Doch die Realität sieht anders aus: Jedes Zuhause einer Schülerin oder eines Schülers bringt unterschiedliche Bedingungen mit sich in Bezug auf
- soziale Beziehungen,
- Verhaltensweisen,
- gegenseitigen Umgang und
- Lernatmosphäre.
Durch diese ungleichen Voraussetzungen bei den Schülerinnen und Schülern zu Hause ergibt sich die Problematik, dass nicht alle im selben Umfang das Lernen im Homeschooling nutzen können. Das gefährdet den Anschluss an den Unterrichtsstoff sowie an das Schulgeschehen und benachteiligt Schülerinnen und Schüler aus sozial schwächeren oder bildungsferneren Familien stärker, womit sich die soziale Ungleichheit in Deutschland verstärkt.
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Schule fördert das soziale Lernen
Die Schule ist ein Ort, an dem Schülerinnen und Schüler ein soziales Miteinander und soziale Kompetenzen erlernen. Aufgrund der Schulschließungen während der Corona-Pandemie entfällt dieser wichtige Aspekt. Auch wenn die Schülerinnen und Schüler durch das Homeschooling fehlende Bestandteile des Lernstoffs nachholen können, bleibt ihnen die Möglichkeit verwehrt, das soziale Lernen weiter auszubauen. Vor allem Fähigkeiten wie Empathie und gegenseitige Rücksichtnahme können die Schülerinnen und Schüler im Homeschooling nicht üben. Dabei sind diese v. a. in Krisenzeiten wie der Corona-Pandemie unerlässlich für die persönliche Entwicklung.
Das Zusammensein mit Gleichaltrigen in der Schule vertieft diese Fähigkeiten entscheidend: Durch das soziale Lernen in der Schule erhalten die Schülerinnen und Schüler einen allumfassenden Eindruck, welche sozialen Kompetenzen für sie wichtig sind. Zwar fördert das Zusammensein bei den Schülerinnen und Schülern zu Hause diese zwischenmenschlichen Kompetenzen ebenfalls, allerdings je nach Familie und Haushalt unterschiedlich. Das Lernen mit Homeschooling hemmt die Entwicklung von sozialen Kompetenzen und sorgt dadurch für stärkere soziale Ungleichheit.
Defizite in der Entwicklung von Kindern und Jugendlichen können ein ausschlaggebender Faktor für das soziale Ungleichgewicht in der Gesellschaft sein. Um solche Entwicklungsdefizite rechtzeitig festzustellen, gibt es die Software „Besondere Kinder“. Diese hilft Bildungseinrichtungen wie Grundschulen, weiterführenden Schulen und Förderschulen Verhaltensauffälligkeiten und Entwicklungsverzögerungen bei Kindern und Jugendlichen zu erfassen.
Sind die Defizite ermittelt, müssen die Schulen zeitnah handeln, um Schülerinnen und Schülern möglichst hohe Teilhabechancen zu ermöglichen. Hier setzt das Praxishandbuch „Schulische Sozialarbeit in der Praxis“ an, welches die Schulen bei der Konzeption, Umsetzung und Weiterentwicklung der Schulsozialarbeit unterstützt.
Homeschooling benachteiligt sozial Schwächere
Aufgrund der ungleichen Voraussetzungen der Schülerinnen und Schüler zu Hause kann davon ausgegangen werden, dass Homeschooling Kinder und Jugendliche aus sozial schwächeren, ärmeren oder bildungsferneren Familien stärker benachteiligt als andere. Der Bildungsgrad der Eltern kann sich z. B. darauf auswirken, wie leicht es Eltern fällt, ihre Kinder bei Schularbeiten zu unterstützen. Je besser der eigene Bildungsstand desto leichter fällt es den Eltern, die Kinder bei ihren Aufgaben zu begleiten und als Ersatzlehrkraft zu fungieren. Im Gegensatz dazu sind Eltern mit einem niedrigeren Bildungslevel ggf. überfordert. Schwächere Kinder und Jugendliche entfernen sich durch die Isolation während der Corona-Pandemie im Homeschooling noch weiter von ihren Bildungsmöglichkeiten.
Außerdem verlieren sozial schwächere Kinder und Jugendliche im Homeschooling den pädagogischen Austausch, der im Präsenzunterricht im Vordergrund steht. Auch den Anschluss an das Schulleben, die Klassenkameradinnen und -kameraden und den Lernstoff gefährdet das Homeschooling bei sozial schwächeren Kindern und Jugendlichen stärker. Der Mangel an Bildung ist ein maßgeblicher Faktor für das soziale Ungleichgewicht, den das Homeschooling weiterverschärft
Schule lehrt Inklusion von Mitmenschen
Neben dem pädagogischen Austausch sollen sich die Schülerinnen und Schüler in der Schule auch mit der Inklusion von benachteiligten Menschen auseinandersetzen. Hierbei sollen sie verschiedene Ursachen kennenlernen, durch die Menschen benachteiligt sein können (z. B. Armut, geistige oder körperliche Behinderungen, Herkunft etc.) und welche entsprechenden Inklusionsmöglichkeiten es gibt. Dies ist ein wichtiger Bestandteil der erfolgreichen Eingliederung der Schülerinnen und Schüler in die Gesellschaft und Solidargemeinschaft im späteren Leben, was mit Homeschooling schwer zu schaffen ist.
Fehlender Schulalltag und stärkere Eigenverantwortung
Ein großer Unterschied zum Präsenzunterricht liegt beim Homeschooling darin, dass die Schülerinnen und Schüler den Schulstoff von Zuhause aus erlernen. Dadurch entfallen Tagesabläufe, die im regulären Schulalltag anfallen, wie etwa
- der Weg zur Schule,
- gemeinsame Mittagspausen mit anderen Mitschülerinnen und Mitschülern oder
- das gemeinsame Arbeiten an Schulprojekten,
die jedoch Schlüsselelemente des Schullebens darstellen. Diese fehlende Alltagsroutine kann das Homeschooling nicht in diesem Umfang bieten, was sich zusätzlich negativ auf die Schülerinnen und Schüler auswirken kann. Aus pädagogischer Sicht erfordert der Unterricht die physische Anwesenheit der Schülerinnen und Schüler in der Schule. Gemeinschaftserfahrungen wie das Lernen in der Gruppe und die Förderung der Kommunikation durch Kontakte mit anderen Personen in der Schule können digitale Lernplattformen nicht im selben Umfang mit derselben Effektivität erzielen.
Dafür bietet das Homeschooling den Vorteil, dass sich die Schülerinnen und Schüler ihre Lernzeit großteils selbst einteilen können und müssen, da das Lernen zu Hause nur eine eingeschränkte Kontrolle durch die Lehrkräfte ermöglicht. So trainieren Kinder und Jugendliche ihr eigenes Zeitmanagement und lernen, Eigenverantwortung zu übernehmen, was entscheidende Kompetenzen für das spätere (Berufs)leben sind.
Unterschiedliche technische Ausstattung erschwert das Lernen zu Hause
Das Homeschooling erfordert sowohl in der Schule als auch bei den Schülerinnen und Schülern zu Hause einen gewissen Mindeststandard an technischer Ausstattung, den allerdings sowohl die Schulen als auch die Schülerinnen und Schüler zu Hause nicht immer ausreichend erfüllen können. Diese Problematik hat das Homeschooling noch einmal deutlich gemacht und die Defizite in der Ausstattung von Schulen, Lehrkräften, Schülerinnen und Schülern hervorgehoben. Das gibt der Bundesregierung die Aufgabe und Chance, künftig noch stärker in den Ausbau der Digitalisierung im Schulbereich und die Effizienz des Homeschoolings zu investieren, als es durch den DigitalPakt Schule bereits geschehen ist.
Weil das Homeschooling stark von digitalen Geräten abhängig ist, sind dort anfallende technische Probleme schwerwiegender. Einige solcher Probleme sind z. B.:
- Die Schülerinnen und Schüler haben verschiedene Betriebssysteme auf ihren Computern, was zu technischen Herausforderungen bei der Umsetzung der virtuellen Klassenzimmer führen kann.
- Einige Schülerinnen und Schülern verfügen über keinen Drucker im Haus.
- Manche besitzen gar keinen eigenen Computer oder andere Haushaltsmitglieder (z. B. die Eltern) müssen diesen nutzen.
Durch diese Unterschiede in der technischen Ausstattung können nicht alle Schülerinnen und Schüler im selben Umfang am Homeschooling teilnehmen. Dadurch lernen sie den Unterrichtsstoff nicht einheitlich und riskieren, den Anschluss zu verlieren. Zusätzlich haben Schülerinnen und Schüler aus ärmeren oder bildungsferneren Familien u. U. nicht die Möglichkeit, sich dem technischen Standard, den das Homeschooling erfordert, anzunähern, und fallen so noch weiter vom Lernstoff und ihrer Schulklasse ab.
Kai Maaz, Direktor des Leibniz-Instituts für Bildungsforschung und Bildungsinformation (DIPF) kritisiert, dass es in Deutschland keine festgelegte Strategie „für die Bildung in der digitalen Welt“ gibt. Auch hier wird deutlich, dass Ungleichheiten im digitalen Ausbau des Schulwesens vorhanden sind. Allerdings muss das digitale Lernen darauf aufbauen, dass alle Nutzer des Homeschoolings das Angebot im selben Umfang nutzen können, weil dies sonst eine noch stärkere soziale Ungleichheit in Deutschland erzeugt.
Kritik von Politik und Eltern am Homeschooling
Verschiedene Parteien bemängeln das Modell des Homeschoolings und gehen dabei auf unterschiedliche Aspekte des digitalen Lernmodells ein, die noch verbesserungsfähig sind oder generelle Probleme darstellen.
Forderungen von Politik und Gewerkschaft
Das bayerische Kultusministerium z. B. fordert von den Schulen eine allgemeine Ausweitung des Förderangebots. Dazu gehören neue Brückenangebote bis zu Beginn des neuen Schuljahres 2020/2021 und individuelle Förderdiagnostiken. Außerdem sollen die Schulen den aktuellen Lernstand der Schülerinnen und Schüler feststellen, um die Wirksamkeit des Homeschoolings überprüfen zu können.
Gleichzeitig stellt die Umsetzung des Homeschoolings die Landesregierungen vor zeit- und kostenintensive Herausforderungen. Die Länder müssen sicherstellen,
- die Schulen mit entsprechenden technischen Geräten auszustatten,
- den Lehrkräften die notwendigen Kompetenzen beizubringen sowie Lehrkräfte durch Schulungen weiterzubilden und
- passende digitale Lernangebote und -formate zu entwickeln.
Kritik an der aktuellen Situation des Bildungswesens in Deutschland kommt auch von verschiedenen Verbänden und Gewerkschaften. Die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft Bayern (GEW) bemängelt den Datenschutz im Homeschooling. Die meisten Lehrkräfte erhalten von den Schulen keine Dienstgeräte für das Homeschooling und sind gezwungen, ihre privaten Geräte zu nutzen. Das stößt auf einige Probleme im Datenschutz und zeigt einmal mehr auf, dass die technische Ausstattung der Schulen bei weitem nicht so weit ausgebaut ist wie eigentlich notwendig.
Eltern verlangen mehr Vertrauen in ihre Kinder
Auch einige Eltern sehen das Homeschooling problematisch, da sich die Effizienz des Online-Unterrichts in Grenzen halte. Vielmehr fordern die Eltern Schulen und Landesregierungen auf, den Fähigkeiten und Persönlichkeiten ihrer Kinder größeres Vertrauen zu schenken und diese so für selbständigeres und eigenverantwortlicheres Lernen zu begeistern. Möglich sei dies z. B. durch:
- fordernde, aber gleichzeitig interessante Aufgabenstellungen
- Teamarbeiten in Kleingruppen (von zu Hause aus)
- Nachweispflichten von Projekten und Arbeitsaufträgen als Handlungsanreiz (z. B. in Form von geschriebenen Texten, digitalen Präsentationen, Mindmaps, fiktiven Interviews etc.)
Gleichzeitig sollen die Lehrkräfte den Schülerinnen und Schülern auch im Homeschooling beratend und unterstützend zur Seite stehen, genauso wie es im Präsenzunterricht der Fall wäre.
Vor- und Nachteile von Homeschooling
Über das Thema Homeschooling wird seit der Corona-Krise viel diskutiert. Auf der einen Seite loben viele den nächsten Schritt zur Digitalisierung im Schulwesen, gleichzeitig kritisieren viele, dass das Homeschooling das soziale Ungleichgewicht weiter verstärkt. Zusammenfassend bringt Homeschooling folgende Vor- und Nachteile mit sich:
Vorteile von Homeschooling | Nachteile von Homeschooling |
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Quellen: Süddeutsche Zeitung, bildungsklick.de, homeschooling-corona.com